Expressschlingen gehören zu Grundausstattung jedes Kletterers. Doch lauert bei der liebevoll auch „Exe“ oder „Expresse“ genannten Kombination aus vernähtem Schlingenmaterial und Karabiner der Teufel im Detail. Alles über Nasen, Verschlüsse und Bruchlast. Weiterlesen
Expressschlingen sind praktische Verbindungsstücke zwischen Seil und Haken. Sie bestehen aus zwei Karabinern und einem Stück Schlingenmaterial (aus Nylon/Polyamid oder Dynema/Polyethylen). Deshalb wird manchmal auch von Express-Sets gesprochen.
Expressschlingen haben eine Hakenseite, die in den Haken eingehängt wird und eine Seilseite, in die das Seil geklippt wird.
Durch die Expressschlinge bekommt das Kletterseil - je nach Schlingenlänge - Spielraum. Das reduziert Seilreibung und auch das Handling ist durch den Steg aus Schlingenmaterial besser.
Wie sind Expressschlingen aufgebaut?
Hakenseite (1) und Seilseite (2) bei einer Expressschlinge.
Expressschlingen bestehen normalerweise aus einem hakenseitigen und einem seilseitigen Karabiner, die mit fest vernähtem Schlingenmaterial verbunden sind.
Hakenseitig hat die Expressschlinge etwas Spiel. Das verhindert das Verkanten und damit die Querbelastung
Seilseitig sind die Karabiner teilweise mit kleinen Gummis fixiert. Das verhindert ein Verdrehen des Karabiners (s. Abb. 1)
Aus diesem Grund ist die Unterscheidung zwischen Haken- und Seilseite ausgesprochen wichtig. DAV-Sicherheitsspezialist Chris Semmel empfiehlt in der bergundsteigen 2/2012 für die Vermeidung des Selbstaushänges oder Karabinerbruch deshalb:
Karabiner entgegen der Kletterrichtung klippen
hakenseitigen Karabiner nicht fixieren
Keylock-Systeme hakenseitig (s. Abb. 2)
Drahtschnapper seilseitig (dazu später mehr)
Normen für Expressschlingen
Expressschlingen unterliegen der Norm EN 566; diese besagt, dass die Bruchlast bei normaler Belastung bei 22 kN liegen muss. Die Karabiner unterliegen ebenfalls der Norm EN 12275 für Bergsportkarabiner. Dort werden sie als "Normalkarabiner" geführt (siehe dazu ausführlich unsere Kaufberatung Karabiner).
Ein Kriterium für den Preisunterschied bei Expressschlingen sind zusätzliche Reserven bei Schnapper-offen- oder Quer-Belastung. Fordert die Norm hier mindestens je 7 kN, halten teurere Karabiner häufig mehr aus.
Schnapper und Verschlüsse
Bei Schnappern lassen sich zwei Systeme unterscheiden: Karabiner mit Drahtschnappern und mit normalen Verschlüssen (s. Abb. 3).
Drahtschnapper:
Vorteile: leichter, geringere Wahrscheinlichkeit einer Schnapper-Offen-Belastung durch Anschlagen am Fels (Stichwort Masseträgheit).
Nachteile: hakenseitig empfindlicher gegen Verbiegen.
Normale Schnapper:
Vorteile: Robuster gegen Verbiegen; leichter in Keylock-Ausführung erhältlich.
Nachteile: etwas schwerer.
Zudem ist der Schnapper auf der Seilseite oft etwas gebogen, was das Einhängen des Seils erleichtert. Bei Verschlüssen lassen sich zwei Systeme unterscheiden: die klassische Nase und das Keylock-System. Hier hat insbeondere das Keylock System den Vorteil, dass es sich nicht in einem Haken verhängen kann. Dieses Verhängen in einem Haken hat bereits zu einigen Karabinerbrüchen geführt.
Abb. 1: Befestigung der Expressschlinge an Band (seilseitig). | Foto: Stefan Rehm
Abb. 2: Der Keylockverschluss verhindert, dass sich der Karabiner am Haken oder am Seil verhängt. | Foto: Stefan Rehm
Abb. 3: Drahtschnapper vs. normaler Schnapper. Beides hat seine Vorteile ... | Fotos: Black Diamond und Edelrid
Abb. 4: Durch eine Felsnase verbogener Drahtschnapper. | Foto Stefan Rehm
Material bei Expressschlingen
Hier gilt es zwischen Schlinge und Karabiner zu unterscheiden.
Die Karabiner sind in der Regel aus Aluminium. Es ist sehr leicht und robust. Allerdings sollte man für fest installierte Expressschlingen Stahlkarabiner verwenden. Diese nutzen sich nicht so schnell ab.
Dynema vs. Polyamid: Der Unterschied zwischen Polyamid und Dynema-Schlingen liegt - im Falle von Expressschlingen - insbesondere in der Breite des Bandmaterials (zum ausführlichen Vergleich der Materialien Dynema und Polyamid vgl. unsere Kaufberatung Bandschlingen). Bei Expressschlingen liegt der Vorteil von Dynema im geringeren Gewicht. Polyamid hingegen erkennt man am breiteren Bandschlingenmaterial; dadurch kann es leichter gegriffen werden, etwa beim Ausbouldern. Allerdings solle man beim Greifen an die Schlinge der Expresse vorsichtig sein - das kann zu unschönen Verletzungen führen …
Länge der Expressschlinge
Wie oben bereits erwähnt, haben Expressschlingen nicht zuletzt den Zweck das Seil lockerer verlaufen zu lassen und den Seilverlauf zu begradigen. Einige Hersteller bieten neben den Expressen in normaler Länge auch Ausführungen mit einer längeren Bandschlingen-Verbindung an. Das kann insbesondere bei sehr langen Routen von Vorteil sein, um Knicke im Seilverlauf abzumildern und die Reibung gering zu halten. Alpin-Exen wie das OZ-Runner-Set von Black Diamond können auf bis zu 60 Zentimeter verlängert werden. Allerdings sollte man mit dem Einsatz dieser langen Expressschlingen in Bodennähe vorsichtig sein, da diese ja auch die Sturzstrecke verlängern.
Wann muss ich eine Expressschlinge austauschen?
Wie oben sind auch hier die beiden Elemente einer Expressschlinge zu unterscheiden: 1. das Schlingenmaterial und 2. die Karabiner.
Schlingenmaterial: hier gilt dasselbe wie für Bandschlingen: Es sollte ausgetauscht werden, wenn:
die Expressschlinge älter als 10 Jahre ist und kaum benutzt wurde (bei intensiver Benutzung bereits früher)
die Oberfläche pelzig aussieht (Ausnahme Dyneema®; diesem Material sieht man die Alterung nicht zwingend an)
Beschädigungen an der Naht oder Schmelzspuren sichtbar sind
möglicherweise Kontakt mit Säuren oder Lösungsmittel erfolgt ist (das ist den Schlingen zwar nicht anzusehen, aber die Festigkeit nimmt dann rapide ab!)
Darüber hinaus sind unbedingt die Herstellerhinweise zu beachten.
Wann müssen Karabiner bei Expressschlingen ausgetauscht werden?
Für Karabiner gibt es keine generelle Lebensdauer. Hier sollte unbedingt der Zustand beachtet werden:
Ist die Expressschlinge aus großer Höhe (>4-5 Meter) heruntergefallen?
Schließen die Schnapper leicht und vollständig?
Gibt es hakenseitig tiefe Einkerbungen (s. Abb. 5)?
Haben sich seilseitig scharfe Kanten gebildet oder ist der Karabiner sehr eingeschliffen (s. Abb. 6 und 7)?
In diesen Fällen muss die Expressschlinge sofort aussortiert werden.
Vorsicht bei fixen Expressschlingen
Ein Reizthema sind fixe Expressschlingen, also Karabiner, die am Fels belassen werden. Dieses Thema eingehender zu beleuchten, würde einen eigenen Beitrag erfordern. An dieser Stelle dazu nur so viel: UV-Strahlung und Alterung reduzieren die Reißfestigkeit des Schlingenmaterials. Bei am Fels belassenen Expressschlingen weiß man einfach nicht, wie lange sie dort schon hängen. Bei Karabinern sollte man sehr darauf achten, dass diese nicht beschädigt sind. Scharfe, eingeschliffene Kanten gehören zu den Hauptverursachern von Seilrissen … (vgl. dazu Panorama 5/2013)
Abb. 5: Entfernte Expressschlinge mit einem scharfen, eingeschliffenem Karabiner seilseitig, die im schlimmsten Fall zu einem Seilriss führen kann. | Foto: Stefan Rehm
Abb. 6: Eingekerbte Fix-Expressschlinge hakenseitig. | Foto: Stefan Rehm
Abb. 7: Scharfe Kante an einer entfernten fixen Expressschlinge. | Foto: Stefan Rehm
Abb. 8: Fädelt die "Nase" eines Karabiners an einer Hakenlasche ein, kann das bereits bei geringer Belastung zum Bruch des Karabiners führen. | Foto: Stefan Rehm
Besondere Expressschlingen
Natürlich gibt es auch unter den Expressschlingen einige Exoten:
Alpin-Expressen mit extra langen Bandschlingen (etwa die Mammut Wall Expresse; s.o.)
Der Frog von Kong ist ein Exot unter den Expressschlingen. Er wird von unten an den Haken geschoben klickt dann ein. Damit können auch Bohrhaken, die einige Zentimeter außerhalb der eigenen Reichweite liegen, erreicht werden.
Ein ähnliches Prinzip nutzt auch die sogenannte Panic Expresse von Beal. Hier ist der Steg der Bandschlingen extra versteift, um einige Zentimeter früher klippen zu können.
Clipstick: Beim Sportklettern kommt inzwischen manchmal ein Clipstick zum Einsatz, eine Verlängerung zum Vorhängen des ersten Hakens (einen ausführlichen Testbericht des Beta Sicks gibt's hier). Das kann vor heiklen Situationen schützen. Der Trango Squid kann einfach vorne auf einen Stock gesteckt werden. Hängt man damit allerdings ganze Felsen mit Expressschlingen voll und blockiert Routen, kann man sich allerdings auch den (berechtigten) Unwillen anderer Kletterer zuziehen...
Fazit zum Thema Expressschlingen
Gutes Material zu haben, es zu pflegen und regelmäßig zu überprüfen ist das eine. Empfehlenswert sind insbesondere Schlingen, die hakenseitig über einen Keylock-Verschluss verfügen und seilseitig über einen Drahtschnapper. Eine gewisse Reserve bei der Schnapper-offen-Belastung schadet sicher auch nichts, denn dabei handelt es sich keineswegs um ein unwahrscheinliches Szenario.
Das andere ist, sein Material gut einsetzen zu können. Hierzu ist eine entsprechende Ausbildung (durch Kurse etc.), Information (durch Fachliteratur) und Übung unerlässlich. Nur wer weiß, welche Szenarien möglich sind, wie sich eine Exe aus dem Haken oder ein Seil aus der Exe aushängen kann, kann diese Situationen vermeiden. Wenn eine Expressschlinge für Sicherheit sorgen soll, geht es immer um Material und Mensch.