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Traum vom Achttausender

Abenteuer Karakorum: Expedition zum Broad Peak

15 Minuten Lesezeit
Es ist der Traum jedes ambitionierten Bergsteigers, einmal einen Achtausender zu besteigen. Michael Hrobath hat sich im Sommer 2017 auf den Weg gemacht, um im Karakorum diesen Traum zu verfolgen. Die Jubiläums-Expedition auf den 8051 Meter hohen Broad Peak hielt jedoch einige Überraschungen bereit.

Egal ob Mount Everest, K2 oder Annapurna: Welcher Bergsteiger träumt nicht von der Besteigung eines 8000ers? So sehr das Bergsteigen und Klettern auch boomt, Expeditionen in extreme Höhen sind nur sehr wenigen Sportlern vorbehalten und faszinieren doch jeden, der gern auf Berge steigt.

Das Ziel: Broad Peak

Im Juni 2017 reise ich mit schwerem Gepäck nach Pakistan, um mir die legendären Achtausender mal aus der Nähe anzuschauen. Der Broad Peak ist der zwölfthöchste der 14 Achttausender. Eingesäumt vom K2 und dem Massiv des Gasherbrum liegt der Berg in der spektakulären Gebirgsregion des Karakorum an der Grenze zwischen Pakistan und China.

Genau 60 Jahre nach der Erstbesteigung durch vier meiner österreichischen Landsmänner will ich entlang der Erstbesteigerroute in die Fußstapfen der Bergpioniere Buhl, Diemberger, Schmuck und Wintersteller treten. Weniger als 500 Bergsteiger haben in diesen 60 Jahren den Gipfel erklommen. Zum Vergleich: Am Mount Everest sind praktisch jedes Jahr mehr als 500 Bergsteiger unterwegs. Sogar im All waren schon mehr Menschen als am Gipfel des Broad Peak!

Faszination Karakorum: Beim Anmarsch rückt die Zunge des Baltoro-Gletschers ins Blickfeld - im Hintergrund recken sich die Trango-Türme in den Himmel. | Foto: Michael Hrobath
Faszination Karakorum: Beim Anmarsch rückt die Zunge des Baltoro-Gletschers ins Blickfeld – im Hintergrund recken sich die Trango-Türme in den Himmel. | Foto: Michael Hrobath

Achtausender ohne künstlichen Sauerstoff

Mein Ziel ist es, in einem internationalen Team den Gipfel ohne Zuhilfenahme von künstlichem Sauerstoff und ohne persönliche Hochträger zu erreichen. Im Herbst 2016 verdichten sich die Pläne für die Besteigung. Ich nehme das Training auf und bereite mich sorgfältig vor. Es gilt, die gesamte Ausrüstung zusammenzustellen, den Körper auf die Anstrengungen und den Geist auf die unwirtlichen Bedingungen und Belastungen vorzubereiten.

Gemeinsam mit einem Arzt beschäftige ich mich mit dem Thema Sportnahrung, Nahrungsergänzung und Gesundheit und werde während der Vorbereitung betreut. Mit einem Sportwissenschafter erstelle ich zudem einen maßgeschneiderten Trainingsplan für die nächsten Monate. Es wird mein erster Versuch, einen 8000er zu besteigen und ich will alle Unsicherheiten und Ängste bestmöglich aus dem Weg räumen. Zuvor war ich zwar schon viel auf den hohen Bergen der Welt unterwegs, aber die Zahl „8000“ flößt mir dann doch eine gehörige Portion Respekt ein. Der Broad Peak stellt als unmittelbarer Nachbar des alles überragenden K2 eine abgeschiedene Herausforderung in einer der schönsten Gebirgsregionen der Welt dar.

Abenteuer Karakorum: Es kann losgehen!

Im Juni 2017 starte ich schließlich in das Abenteuer Karakorum. In Islamabad trifft sich das Team zum ersten Mal. Die Leitung der Expedition hat die katalonische Berglegende Oscar Cadiach inne. Er hat 13 der 14 Achttausender bereits bestiegen und ist zuvor bereits dreimal am Broad Peak gescheitert. Er will diesen Berg, seinen letzten fehlenden Achttausender, unbedingt besteigen. Die anderen Teilnehmer kommen aus der Schweiz, der Türkei, aus Deutschland und Österreich. Fast alle sind Profis und haben schon so manchen der höchsten Berge der Welt bestiegen. Ich bin mit meinen 34 Jahren mit Abstand der jüngste Teilnehmer.

Nach tausenden von Schritten über Millionen von Steine können Schuhe schon mal so aussehen. | Foto: Michael Hrobath
Nach tausenden von Schritten über Millionen von Steine können Schuhe schon mal so aussehen. | Foto: Michael Hrobath

Von Islamabad geht es zunächst mit dem Bus Richtung Norden. Würde er in den Alpen liegen, wäre auf dem berühmt-berüchtigten Karakorum Highway, der sich von Islamabad nach Skardu schlängelt, jeder einzelne Meter gesperrt. Felsbrocken, fehlende Leitplanken, Abgründe und der skrupellose Schwerlastverkehr machen die Straße zu einer der bedrohlichsten und gefährlichsten auf der Welt. Zwei volle Tage dauert die Fahrt, die wir Inschallah (Gott sei Dank) ohne größere Probleme überstehen.

In Skardu schlafen wir zum letzten Mal für fünf Wochen in einem richtigen Bett, haben noch ein letztes Mal Internetzugang, ein Bad und Strom. Jeder geniesst die Vorzüge der Zivilisation in vollen Zügen, bevor wir uns auf den ungemütlicheren Teil der Reise vorbereiten.

In Askole, einem kleinen Bergdorf am Tor zum Karakorum, rekrutieren wir die Männer und Mulis für unser Gepäck. An die 70 Mann braucht es, um unser Material, die Ausrüstung, das Gepäck und unser Essen ins Basecamp zu schaffen. 120 Kilometer Fußmarsch liegen vor uns. Der Trek zum Basecamp selbst ist schon eine Reise wert. Wir passieren in den nächsten sechs Tagen riesige Felstürme und Eisgiganten und tauchten mit jedem Schritt tiefer ins Karakorum ein.

Abschied von der Zivilisation

Zwischen uns und dem Berg liegt der Baltorogletscher. Er ist einer der mächtigsten der Welt und wird von den Gletschern zahlreicher Sechstausender, Siebentausender und Achtausender des Karakorum gespeist. Die Zivilisation rückt jeden Tag weiter in den Hintergrund. Es ist fast schon ein meditatives Erlebnis, in tausenden von Schritten über Millionen von Steine zu treten, die der Baltoro mit sich trägt.

Nach elf Tagen in Pakistan und fünf Tagen in den Bergen wird es dann so richtig spektakulär. Die letzte Etappe auf dem Weg zum Basislager führt uns über den sogenannten Concordiaplatz. Ein Traumziel für jeden Bergsteiger! Hier vereinen sich auf 4.600 Meter Höhe der Baltoro und der Godwin-Austen-Gletscher. Linkerhand geht es den Gletscher hoch zum Broad Peak und K2, rechts abgebogen wartet die Gasherbrum-Gruppe mit ihren beiden Achttausendern Gasherbrum 1 und Gasherbrum 2 darauf, bestiegen zu werden. Hier pocht das Herz des Karakorum und unseres pocht gleich mit!

Nach weiteren 3 Stunden erreichen wir schließlich das Basecamp des Broad Peak. Die 68 Träger und 20 Mulis entladen unser Gepäck und machen sich nach der Entlohnung gleich wieder auf den Rückweg. Wir stehen mit unzähligen Kisten, Tonnen, Taschen und Säcken auf der Moräne unterhalb des Broad Peak. Hier werden wir also die nächsten vier Wochen verbringen.

Beim Anmarsch zum Broad Peak gerät mehr und mehr der 8.611 Meter hohe K2 in den Blick - der zweithöchste Berg der Welt. | Foto: Michael Hrobath
Beim Anmarsch zum Broad Peak gerät mehr und mehr der 8.611 Meter hohe K2 in den Blick – der zweithöchste Berg der Welt. | Foto: Michael Hrobath

Organisation und Akklimatisation für die Gipfelbesteigung

Nach dem Lageraufbau steht die weitere Akklimatisation im Mittelpunkt. Immerhin fehlen uns noch 3.000 Höhenmeter bis zum Gipfel. Außerdem müssen wir drei Hochlager einrichten: Camp I auf 5600 Meter, Camp II auf 6400 Meter und Camp III auf 7200 Meter. Dank der Fixseile, die die Kletterpassagen erheblich entschärfen und uns durchgehend sichern, erweist sich der Aufstieg als verhältnismäßig einfach. Eine Expedition, die schon eine Woche vor uns angereist war, hat mit Hilfe von Hochträgern und Sherpas die Fixseile bereits installiert. Aufpassen müssen wir allerdings trotzdem – auf die Lawinen und vor allem auf die tückischen Steinschläge.

Bereits nach wenigen Stunden erreichen wir bei unserem ersten Aufstieg das Camp I auf 5600 Metern. Die wenigen guten, sicheren Plätze auf dem engen Plateau sind schon besetzt, uns bleiben so nur zwei etwas schiefe Zeltplätze abseits des Lagers. Das Camp wird nur ein bis zwei Mal als Schlafplatz benutzt, danach überspringt man es sowieso und geht direkt zum Camp II.

Allein die Kulisse des Broad Peak-Basislager ist schon eine Reise wert. | Foto: Michael Hrobath
Allein die Kulisse des Broad Peak-Basislager ist schon eine Reise wert. | Foto: Michael Hrobath

Wir kochen uns Tee und Suppe und geniessen die spanischen Spezialitäten, die Oscar immer überall mitschleppt. Chorizo und Manchego und natürlich Schoggi von unserem Schweizer Toni. So lässt es sich auch in den Hochlagern aushalten! Wir können alle ganz gut schlafen und steigen früh wieder ins Basislager ab. Schlechtwetter ist angesagt.

Wir haben den ersten Akklimatisationsgang alle mit gutem Gefühl absolviert, haben schon einiges an Material am Berg und ein erstes Gefühl für den Aufstieg bekommen. Im Lager werden wir von unserer Küchencrew herzlichst empfangen und wie immer bestens verköstigt. Noch bevor die Schlechtwetterfront von der 7.665 Meter hohen Chogolisa herüberzieht, sind wir alle schon in unseren Zelten.

Ausruhen im Basecamp und nächste Akklimatisationsrunde

Die Ruhetage zwischen den Aufstiegen sind wichtig. Die Akklimatisation findet im Basislager statt und nicht am Berg. In der Höhe bekommt der Körper den Anstoß, sich auf die Höhe einzustellen. Der Puls geht nach oben und der Körper bildet dabei eine vermehrte Anzahl an roten Blutkörperchen, wodurch das Blut dicker wird und mehr Sauerstoff transportieren kann.

Der Weg zum ersten Camp I ist uns bereits bekannt. Nach nur drei Stunden erreichen wir bei der nächsten Akklimatisationstour das Camp I, lassen etwas Ausrüstung dort und nehmen andere Teile, die wir weiter oben brauchen, auf. Nach einer kurzen Pause mit Tee, Trockenobst und Nüssen geht’s gleich weiter nach oben. Wir wollen das zweite Camp erreichen und dort nächtigen, um die Akklimatisation weiter in Gang zu bringen. Der Weg geht so steil weiter, wie er aufgehört hat.

Dank der Fixseile und dem eingehängten Jümar kann man sich immer wieder ins Kletterseil hängen, um kurz zu rasten und die Führungshand zu wechseln. Einige kleine Kletterpassagen in Schnee und Eis machen die zweite Etappe spannend und abwechslungsreich. Wir nähern uns langsam der 6000 Meter-Marke, die man auch nicht alle Tage überschreitet. Wir spüren die Höhe. Der Sauerstoffpartialdruck sinkt hier bereits auf unter 50% im Vergleich zur Meereshöhe. Man atmet mehrmals pro Schritt und alles wird erheblich langsamer.

Nach weiteren 3 Stunden haben wir das Camp II auf 6400 Metern erreicht und eingerichtet. Das Wetter dreht langsam, die Wolken verdichten sich und wir kochen noch rasch Wasser. Der aufkommende Wind macht das Kochen nicht einfacher. Wir schaffen es noch rechtzeitig, ein bisschen etwas zu essen, bevor wir das Zelt nicht mehr verlassen können.

Sturm auf 6400 Metern

Der Ausblick vom Camp II ist schlichtweg überwältigend. | Foto: Michael Hrobath
Der Ausblick vom Camp II ist schlichtweg überwältigend. | Foto: Michael Hrobath

Die Toilette verrichten wir in Flaschen im Zelt. Der Wind hat sich mittlerweile zu einem ordentlichen Sturm ausgewachsen. Heinz und ich sitzen in jeweils einer Ecke des Zelts und hoffen, dass es hält. Wir haben keinen Funkkontakt mit den Kameraden in den anderen beiden Zelten. Der Sturm peitscht gegen die Zeltwand und man fühlt sich, als ob man zwischen zwei Güterzüge geraten ist. An Schlafen ist nicht zu denken, wir sitzen in den Schlafsäcken und haben alles griffbereit, um im Notfall rasch das Zelt verlassen zu können.

Nach etlichen Stunden wird es etwas besser und wir können Funkkontakt mit Oscar, unserem Expeditionsleiter, aufnehmen. „Let’s go down!“ ist unsere gemeinsame Entscheidung. Wir packen, schnallen uns die Steigeisen an die Expeditionsstiefel, ziehen die Sturmhauben tief ins Gesicht und verlassen das Zelt. Es kostet etwas Überwindung, aus dem schützenden Zelt hinauszukriechen. Der Sturm hat drei Zelte komplett zerlegt – die meisten scheinen aber unversehrt.

Wir klinken uns in die Seile und marschieren flott runter Richtung Camp I. Der Sturm ist ein paar hundert Höhenmeter weiter unten kaum mehr zu spüren. Aus Angst, es könnte noch weitere Zelte und damit die Ausrüstung wegfegen, nehmen wir alles wieder mit runter.

Normalerweise lässt man Schlafsack, Isomatte, Daunenanzug und Verpflegung im Camp II. Nun müssen wir alles beim nächsten Mal alles wieder hochschleppen. Ein Wermutstropfen – aber allemal besser, als die lebenswichtigen Ausrüstungsgegenstände einfach so dem Wetter zu überlassen. Der Berg schluckt alles, was nicht gut festgezurrt ist!

Hoffnung auf das passende Wetterfenster

Laut Wetterbericht soll es in drei Tagen ein kleines Wetterfenster geben. Wir setzen den Gipfelaufstieg für das kommende Wochenende an. Bis dahin heißt es, sich sorgfältig vorzubereiten: Ausrüstung kontrollieren und packen, viel essen und schlafen und sich vor allem mental auf die bevorstehende Anstrengung einstellen. Im Lager werden wir in diesen Tagen von heftigen Schneefällen überrascht. Das ganze Basislager wird zugeschneit – und es ist bitterkalt. Man sieht keine 50 Meter weit und hört nur noch die Lawinen, die dank des heftigen Schneefalls von allen Seiten herunterdonnern.

Am geplanten Aufstiegstag sieht es noch nicht so aus, als ob sich das Wetter bessern würde. Trotzdem gehen wir frühmorgens vollbepackt los. Unser Ziel ist an diesem Tag Camp II. Wir klettern im unteren Teil der Route über Lawinenkegel und müssen auch den einen oder anderen Schneeanker neu setzen.

Man sinkt bei jedem Schritt tief in den Schnee ein. Wir müssen uns bei der Spurarbeit abwechseln. Dem Wind sei Dank ist die Spur schon nach ein paar Minuten wieder mit Schnee gefüllt. Jetzt wird es echt beinhart! Im Camp I nehmen wir wieder unser deponiertes Zusatzmaterial auf und gehen nach einer kurzen Pause weiter. Nur dank der guten Akklimatisierung und des vielen Trainings schaffe ich die sieben Stunden bis zum Zelt in 6400 Metern Höhe halbwegs gut.

Aufstiegskampf zum Camp III

Am nächsten Morgen klart es etwas auf und die Sonne kommt tatsächlich einige Stunden hervor. Der Ausblick ist gewaltig. In dieser Höhe ist die Sonneneinstrahlung allerdings so stark, dass man kein Stück Haut der Strahlung aussetzen darf. Gut eingepackt – und mit einer dicken Schicht Sonnencreme – geht’s weiter hinauf. Eine Gletscherbrille verhindert, dass man schneeblind wird oder die Sonne die Augen anderweitig schädigt.

Zwar zeigt sich das Wetter im Camp III kurzzeitig gnädig - der finale Weiterweg zum Gipfel bleibt uns dennoch verwehrt. | Foto: Michael Hrobath
Zwar zeigt sich das Wetter im Camp III kurzzeitig gnädig – der finale Weiterweg zum Gipfel bleibt uns dennoch verwehrt. | Foto: Michael Hrobath

Wir kämpfen uns hoch Richtung Camp 3, das wir auf rund 7300 Metern errichten wollen. Das ist an der Grenze zur berüchtigten Todeszone, in der kein Mensch länger als ein paar Tage überleben kann. Der Aufstieg ist extrem ermüdend. Alle 50 Meter muss ich pausieren, bei jedem Schritt zehn Mal atmen. Mit den schweren Rucksäcken am Rücken ziehen wir uns Schritt für Schritt die Fixseile hoch. Unsere pakistanischen Guides und die Profis im Team leisten hier die meiste Spurarbeit. Nach gut sechs Stunden kommen wir schließlich fix und fertig an.

Wir stellen schnell die Zelte auf und schmelzen Schnee für Tee und Suppe. Das Wetter hat sich wieder verschlechtert. Man sieht weder den Gipfel – und auch sonst nicht viel. Egal – wir wollen nur noch schlafen. Der Hunger hält sich trotz des massiven Kalorienverbrauchs in Grenzen. Ich zwinge mich, ein paar Kekse und einen Riegel zum Tee zu essen.

„We are going down!“

In der letzten Flanke zum Sattel, ein Schlüsselstück der Tour, hat es noch sehr viel Schnee. Dazu keine Spur, keine Fixseile und erhebliche Lawinengefahr im oberen Bereich. Sieht nicht gut aus! Wir entscheiden, am nächsten Morgen über die weitere Vorgehensweise zu beraten. Um vier Uhr früh weckt uns schließlich ein Funkspruch auf: „We are going down!“

Es ist ein schöner Morgen, das Panorama beeindruckend und der Gipfel so nah. Nur rund 700 Höhenmeter trennen uns von unserem Traumziel. Die Gruppe ist gespalten: Runter oder doch versuchen? Abwarten und Kräfte schonen? Wir sind hin- und hergerissen und trennten uns schließlich. Tunc, Heinz und ich gehen runter. Oscar, Toni, Ali und Youssouf bleiben noch. Am Rückweg treffen wir eine andere Expedition, die ihrerseits gerade zum Camp II marschiert. Am nächsten Tag kommen dann auch die anderen Bergsteiger unserer Gruppe wieder ins Basecamp. Es gibt keine Möglichkeit, bei diesen Bedingungen in so einer kleinen Gruppe weiter zu steigen.

Bei so einer Aussicht fällt das Abschied nehmen schwer. | Foto: Michael Hrobath
Bei so einer Aussicht fällt das Abschied nehmen schwer. | Foto: Michael Hrobath

Wir haben noch etwas Zeit. Ein Versuch würde sich noch ausgehen, wenn das Wetter und die Konditionen am Berg es zulassen würden. Kraft haben wir auch noch. Die Wettervorhersage ist allerdings alles andere als gut. Jeden Tag durchleben wir alle vier Jahreszeiten: Regen, Schnee, Sonne und Wind. An einem Tag ist es so warm, dass ganze Hangstücke abbrechen und sich in Form einer Lawine gen Tal bewegen. Am anderen Tag ist es so windig, dass der Schnee in hunderten von Metern langen Schneefahnen herumgewirbelt wird.

Doch noch ein Gipfelversuch?

Ein Foto wie ein Gemälde: Gletscherfluss auf dem Baltoro mit K2. | Foto: Michael Hrobath
Ein Foto wie ein Gemälde: Gletscherfluss auf dem Baltoro mit K2. | Foto: Michael Hrobath

Im Basecamp lese ich viel und schlafe noch mehr. Wir verspeisen täglich ganze Schlachtplatten, um unsere Energiereserven wieder aufzufüllen. Dennoch haben wir alle bis zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Kilos an Körpergewicht verloren. Allein in dieser Höhe verbrennt der Körper schon beinahe mehr Kalorien als man überhaupt zu sich nehmen kann. Die Hoffnung auf einen weiteren, letzten Versuch – bevor wir wieder abreisen müssen – hält uns bei Laune.

Der Abreisetag von Toni, Heinz und mir rückt unerbittlich näher. Wir beschließen, den Berg ein letztes Mal anzugehen. Einerseits um es noch einmal mit dem Gipfel zu versuchen. Andererseits müssen wir sowieso nochmal mindestens ins Lager II hoch, um unsere Ausrüstung zu holen. Der Wetterbericht sagt erhebliche Windböen voraus – aber so genau kann man das Wetter hier sowieso nicht bestimmen.

Leider stimmt der Bericht aber und wir kehren nach einer Nacht in Camp II auf dem Weg zu Camp III wieder um. Vollbepackt geht es wieder runter zum Gletscher, wo uns unser Koch mit Tee und Schokokeksen empfängt. Er freut sich mit uns, dass auch bei der letzten Tour niemandem etwas passiert ist und wir nun alle wohlauf die Rückreise antreten können.

Wieder Erde unter den Sohlen

Oscar, Tunc und unsere Guides Ali und Youssouf bleiben noch im Basecamp. Zwei Wochen später würde sich wieder ein Wetterfenster öffnen und Oscar den letzten „seiner“ 14 Achttausender besteigen.

Für mich war die Expedition zum Broad Peak auch ohne Gipfelerfolg ein unglaubliches Abenteuer. Es war, wie eingangs erwähnt, mein erster Anlauf auf einen Achttausender und ich bin froh, wieder mit heilen Fingern und Zehen zurück zu sein. Nach einem Monat auf dem Gletscher, nur wenige Zentimeter von den Eismassen getrennt, ist es ein schönes Gefühl wieder Erde unter den Sohlen zu spüren.

Ich durfte ein wildes und schönes Land entdecken und seine offenherzigen, hilfsbereiten und großzügigen Bewohner kennenlernen. Ich bekam Einblicke in die muslimisch geprägte Kultur und konnte an den höchsten Bergen der Welt wertvolle und unvergessliche Momente erleben. Vielleicht habe ich irgendwann die Möglichkeit, wieder zurück zu kommen ins Karakorum. Der Gipfel des Broad Peak wird auch dann noch da sein!

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