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"Scheitern ist immer eine Option"

Extrembergsteiger Robert Jasper im Interview

9 Minuten Lesezeit
"Ein Berg ist für mich manchmal wie ein Diamant". Extrembergsteiger Robert Jasper mag alle Spielarten des Alpinismus und sucht immer nach neuen Herausforderungen, um seine Könnensgrenze auszuweiten. Ein Interview.

Robert Jasper gilt als einer der besten Extrembergsteiger der Welt. Rekorde, Erstbesteigungen und die Namen der größten Wände reihen sich in das Portfolio des gebürtigen Schwarzwälders wie Briefmarken in ein Sammelalbum.

Im Interview mit Bergzeit erzählt er, wie der Arbeitsalltag eines Extremsportlers aussieht, wie er mit Risiko umgeht und warum jeder Träume haben sollte.

Robert, Du wirst als Extrembergsteiger bezeichnet. Was ist das eigentlich, ein Extrembergsteiger?

Robert Jasper: Prinzipiell ist das eine gute Frage – extrem ist ja subjektiv. Für einen „Normalbürger“ wird der Begriff „extrem“ vielleicht etwas anderes darstellen als für mich. Ich denke der „Titel“ Extrembergsteiger kommt daher, dass früher eigentlich alle Bergsteiger waren, die in den Bergen unterwegs waren. So vor 30, 40 Jahren, also zu Zeiten Wofgang Güllichs und Reinhold Messners, da kam ja erst diese Free-Climber-Bewegung auf. Als ich angefangen habe zu klettern, waren gerade Wofgang Güllich und Kurt Albert meine großen Vorbilder. Ich wollte dieses moderne Klettern, diesen Freikletter-Gedanken in die Alpen übertragen. Das war das eigentlich Neue, weswegen die Leute angefangen haben, es als Extrembergsteigen zu bezeichnen.

Robert Jasper mit Stefan Glowacz und Klaus Fengler auf ihrer Baffin Island Expedition. | Foto: Klaus Fengler
Robert Jasper mit Stefan Glowacz und Klaus Fengler auf ihrer Baffin Island Expedition. | Foto: Klaus Fengler

Es gibt heutzutage so viele Spielarten des Alpinismus: den Expeditionsbergsteiger, den Eiskletterer, Skitourengeher, Freerider und so weiter. Behandelst Du alle Deine Disziplinen gleichwertig oder hast Du bestimmte Vorlieben?

Robert Jasper: Mir fällt es schwer zu sagen, welche Disziplin mir am liebsten ist. Ich mache alles gerne und ich gehe auch sehr gerne mit meinem Sohn in die Boulderhalle. Klar sind meine großen Ziele draußen in den großen Wänden und auf Expedition zu suchen. Gerade die Abenteuer in entlegenen Gebieten sind vom Anspruch her schon so etwas wie eine Königsdisziplin.

„… Hauptsache Du entwickelst Dich weiter“

In Deinen Filmen schaut es oft so mühelos aus, wenn Du in Mixed- oder Alpinrouten unterwegs bist. Sicherlich steckt da aber eine Menge harter Arbeit dahinter. Wie kann man sich Deinen „Arbeitsalltag“ vorstellen?

Robert Jasper: Ja, das harte Training und die Fehlversuche sieht man meistens nicht. Es sieht locker aus. Wenn es nicht locker aussieht, stürzt man und dann ist es zu spät. Für mich ist es ein langsamer Prozess sich an diese Grenze zwischen möglich und umöglich anzunähern. Und natürlich erfüllt es einen dann auch mit großem Stolz diese Grenze zu verschieben, wenn man eine neue Route klettert oder wie auch immer. Es spielt für mich gar keine große Rolle, ob das jetzt die schwerste, zweitschwerste oder eine eigentlich unbedeutende Route war. Hauptsache Du entwickelst Dich weiter.

Nach welchen Kriterien suchst Du dann Deine Routen und neuen Abenteuer aus?

Robert Jasper: Ebenfalls nach persönlichen Vorlieben: Wenn ich eine Linie oder einen Berg sehe, der mir gefällt, frage ich mich gleich ob und wie ich hochkommen kann. Das können manche vielleicht nicht verstehen, aber viele Leute finden auch Autos toll oder Schmuckstücke. Ein Berg ist für mich manchmal wie ein Diamant, den ich schaffen will. Dazu gehört dann natürlich eine gute Vorbereitung. Ich schaue mir die Struktur und die Möglichkeiten an und fange das Planen und Trainieren an.

„Die Erfahrung hat uns bei der Entscheidung geholfen, wir haben die Expedition abgebrochen.“

Der Umgang mit Risiko gehört zu Deinem Beruf dazu. Wie kalkulierst Du das im Vorfeld deiner Abenteuer? Trial and Error ist am Berg nicht das optimale Lernmodell.

Robert Jasper: Erfahrung ist ein wichtiges Stichwort, aber die resultiert auch nur aus den Touren, die du bereits gemacht hast. Das Wetter, der Partner, die Ausrüstung und der richtige Umgang damit sind alles Faktoren, die eine Rolle spielen. Wenn man Extremes plant, sollte man sich im Vorfeld auch immer klar machen, dass die beste Planung keine Garantie für einen Erfolg ist. Scheitern ist immer eine Option. Als ich mit Stefan Glowacz in Patagonien unterwegs war, gingen der Expedition monatelange Planungen voraus. Doch erst vor Ort sahen wir, dass die Besteigung objektiv viel zu gefährlich war. Der Fels war spröde und über uns riesige Eisbrüche. Die Erfahrung hat uns bei der Entscheidung geholfen, wir haben die Expedition abgebrochen. In früheren Jahren hätten wir es möglicherweise sogar versucht. Als junge Menschen neigt man vielleicht eher zu Leichtsinn.

Für den Extrembergsteiger ist seine Erfahrung sehr wichtig. Sie hilft ihm wichtige Entscheidungen zu treffen. Trotz optimaler Planung ist eine garantierte Durchführung der Expedition nicht immer möglich. | Foto: Klaus Fengler
Für den Extrembergsteiger ist seine Erfahrung sehr wichtig. Sie hilft ihm wichtige Entscheidungen zu treffen. Trotz optimaler Planung ist eine garantierte Durchführung der Expedition nicht immer möglich. | Foto: Klaus Fengler

Was würdest Du jungen Menschen denn raten, die sich Dich zum Vorbild nehmen und in Deine Fußstapfen treten möchten?

Robert Jasper: Ich kann allen, die das machen wollen, nur dazu raten eine solide Ausbildung zu machen. Es gibt heutzutage unzählige Jugendcamps, Ausbildungslager und Angebote mit erfahrenen Bergführern zu trainieren. Viele junge Leute wollen gleich die großen Gipfel, können sich aber nicht vorstellen welches Training dahinter steht. Auch die vielen Kletterhallen bieten Trainigsmöglichkeiten, die es früher gar nicht gab. Wir sind einfach raus an den Fels und haben vieles ausprobiert. Wer das überlebte, hatte einfach nur Glück.

Heißt das, man sollte nicht zu viel wollen?

Robert Jasper: Doch, es ist cool einen Traum zu haben. Man sollte diesen auch konsequent verfolgen, nur sind die Schritte dahin eher klein. Man muss sich langsam hinarbeiten und sich von Rückschlägen nicht entmutigen lassen.

Hast Du einen Indikator, bei dem Du merkst, dass es zuviel wird? Gibt es dafür Zeichen oder ein Gefühl?

Robert Jasper: Als Profi ist man oft an der Grenze und jede Situation ist anders. Mit der Erfahrung kommt auch dieses sogenannte Bauchgefühl, man wird sensibler dafür. Auch wenn ein Sponsor sagen würde „Du musst da jetzt rauf“, darf das nie stärker sein als die eigene, innere Stimme.

Ohne Sponsoren kein Abenteuer

Empfindest Du denn Druck von Seiten der Sponsoren?

Robert Jasper: Ich sag mal, man muss schon erzählenswerte Geschichten haben, wenn man auch davon leben will. Für die Sponsoren ist es in erster Linie wichtig, dass man das, was man macht, auch leidenschaftlich gern macht, dahinter steht und es auch so zeigt. Für mich bedeutet es sehr viel, wenn ich mit meiner Leidenschaft auch andere begeistern kann. Und die Expeditionen, die ich mache, könnte ich ohne Sponsoren weder durchführen noch später davon erzählen.

Wenn man den Kletter-Zirkus beobachtet, kann man zu dem Eindruck kommen, dass immer größere Leistungen angerufen werden. Setzt Dich das unter Zugzwang?

Robert Jasper: Die Spitze wird breiter, weil es durch die besser gewordenen Trainingsmöglichkeiten auch mehr Nachwuchs gibt – und dadurch Talente natürlich wesentlich leichter entdeckt und gefördert werden können. Ich empfinde das aber nicht als Druck. Dieses zweigleisige Fahren, also klettern an extremen Wänden an den Enden der Welt, benötigt soviel Erfahrung und auch sehr viel Geld. Wie gesagt funktioniert das ohne Unterstützung gar nicht und die Sponsoren können ja auch nicht jeden unterstützen.

„… für mich steht das Abenteuer an erster Stelle.“

Bei Deinen Expeditionen: Wieviel machst Du für Dich selbst und wieviel für die Story?

Robert Jasper: Da gibt es eine ganz klare Hierarchie: für mich steht das Abenteuer an erster Stelle. Auch wenn ein Team von Fotografen und Filmemachern dabei ist und deren Aufgabe perfekte Aufnahmen sind, so haben wir unterwegs doch ein gemeinsames Ziel: Den Gipfel zu erreichen und heil wieder runter zu kommen. Auch wenn es dabei durchaus manchmal zu Diskussionen kommt, ob dieser Abschnitt für ein besseres Bild nochmal geklettert werden könnte oder so. Aber, auf extremen Expeditionen geht das gar nicht. Dazu fehlt schlicht die Zeit, man muss mit dem arbeiten was man hat. Bei kleineren Sachen, zum Beispiel in den Alpen, kann man durchaus nochmal hinfahren und das der Story wegen wiederholen.

Die Seilpartner sind für Robert Jasper wichtig. Gegenseitig kann man sich helfen neue Motivation zu finden, wenn es mal nicht wie geplant läuft. | Foto: Klaus Fengler
Die Seilpartner sind für Robert Jasper wichtig. Gegenseitig kann man sich helfen neue Motivation zu finden, wenn es mal nicht wie geplant läuft. | Foto: Klaus Fengler

Stellst Du Dir in extremen Situationen manchmal die Frage nach dem Warum? Und wie motivierst Du Dich dann wieder?

Robert Jasper: Es gibt nichts Perfektes, natürlich gibt es diese Momente. Vor allem das Wetter ist so eine Sache – wenn man sich monatelang vorbereitet hat und eigentlich alles passt, das Wetter einem dann aber doch einen Strich durch die Rechnung macht. Das ist schon sehr frustrierend. Man denkt sich dann, wäre ich doch Fußballer geworden (lacht). Wenn der Wille und die Leidenschaft aber wirklich da sind, entmutigt das auch nicht wirklich. Die Motivation kommt sofort wieder. Einen großen Anteil daran haben natürlich die Seilpartner. Man muss das teilen.

Stichwort Fußballer: Das bedeutet als Profi steinreich mit Mitte Dreißig quasi in Rente zu gehen. Wann denkt man als Profibergsteiger ans Aufhören?

Robert Jasper: Ich bin jetzt 48. Wenn man fit bleibt, kann man das so lange machen wie es geht. Ich denke jedenfalls noch nicht ans Aufhören. Dazu mache ich das viel zu gerne. Vielleicht passen sich die Träume ja irgendwann den Möglichkeiten an, wer weiß.

„Dafür reichen ja zehn Leben nicht aus.“

Hast Du denn eine To-Do-Liste, die Du noch abarbeiten willst?

Robert Jasper: Nein, nicht wirklich. Je mehr man unterwegs ist, desto mehr Ziele sieht man und desto mehr neue Träume entstehen. Dafür reichen zehn Leben nicht aus.

Du bist auch Bergführer und Bergführer-Ausbilder. Beobachtest Du diese Leidenschaft, die Du so intensiv lebst, auch in den Anwärtern und dem Nachwuchs?

Robert Jasper: Bei vielen Leuten erkennt man schon ein richtiges Feuer, die sind mit Leib und Seele dabei. Allerdings sind gerade bei jungen Menschen die Realitäten oft noch etwas verschoben. Wie bereits angesprochen können sie sich das Ausmaß des harten Trainings nicht ausmalen, was sie für einen Gipfel oder eine Route brauchen. Ein moderner Bergführer ist heutzutage ja nicht nur einer, der voran geht und die Leute auf den Gipfel bringt. Er ist auch gleichzeitig Lehrer und Vorbild. Ich versuche immer die Enthusiasten etwas „einzunorden“ ohne Ihnen dieses Feuer zu nehmen.

Wie sieht es mit Deinen Kindern aus? Hast Du Dein Talent vererbt?

Robert Jasper: Meine Frau ist auch Profikletterin, insofern denke ich schon, dass Talent vererbt wurde. Aber jeder hat seine eigenen Träume, die er entwickeln und leben soll. Die Kinder bouldern sehr gern und sehr gut, da haben sie sich eine Nische erobert, die vom Vater immer ausgelassen wurde.

Was wolltest Du eigentlich als Kind mal werden?

Robert Jasper: Kein Lokomotivführer (lacht)! Mich haben schon immer die Berge angezogen, wobei die Umgebung ja generell einen riesigen Einfluss hat. Wäre ich am Meer aufgewachsen, wäre ich vermutlich Segler geworden und hätte so die Welt bereist. Das Entdecken ist mir wichtig. Ich hätte sicher auch ohne Berge glücklich werden können, aber nicht ohne Abenteuer.

Robert, vielen Dank für das Gespräch!

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