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Chile abseits der Massen

Die Insel Chiloé: Reisetipps und warum ein Besuch lohnt

9 Minuten Lesezeit
Chile hat großartige Landschaften zu bieten. Wer von Santiago auf dem Weg zum Torres del Paine ist, sollte in der Region um Puerto Montt einen Stopp einlegen und die Insel Chiloé besuchen. Dort warten reizvolle, abgeschiedene Natur und eine ganz eigene Inselkultur.

Fünf Uhr morgens. Wir wühlen uns aus unseren Schlafsäcken und tappen schläfrig im Dunkeln von der kleinen Holzhütte hinüber zu den bereits erleuchteten Fenstern des Haupthauses – nicht ohne einen Blick auf das endlose Himmelszelt über uns zu werfen. Mehr Sterne haben wir nur in der rund 2.000 Kilometer entfernt gelegenen Atacama-Wüste gesehen, im Norden Chiles. Wir befinden uns auf Chiloé, der nach Feuerland zweitgrößten Insel des südamerikanischen Kontinents, im gleichnamigen Nationalpark.

Isla Grande de Chiloé

grüne Hügel mit schneebedeckten Bergen im Hintergrund auf der Insel Chiloé in Chile
Grüne Hügel und der Blick übers Meer auf die endlose weiße Kette der Anden im Norden Patagoniens: das ist die Insel Chiloé bei klarem Wetter. | Foto: Franziska v. Treuberg

Chiloé, das landschaftlich mal an Irland, mal an den Böhmerwald erinnert – nur vom Meer umgeben – , ist vor allem für seine zahlreichen bunten Holzkirchen bekannt (über 150 an der Zahl), von denen einige dem UNESCO-Weltkulturerbe angehören. Grüne Hügel, dichte Wälder, einsame Strände und abgelegene Nationalparks bieten die Kulisse für Wanderungen, Kajak- oder Trekkingtouren abseits des chilenischen Massentourismus.

Unserem Reiseführer zufolge regnet es auf Chiloé mehr als neun Monate im Jahr. Bei strahlendem Sonnenschein und mit Blick auf die endlose weiße Andenkette auf der anderen Seite des Golfes von Ancud in Nordpatagonien haben wir die chilenische Insel im Februar 2013 während unserer Chile-Reise besucht.

Die Insel Chiloé: Eine Reise wert

Die Insel Chiloé ist einen mehrtägigen Abstecher auf der Chile- bzw. Südamerika-Reise absolut wert, und wer Abgeschiedenheit und ein intensives Naturerlebnis sucht, für den ist der Nationalpark der richtige Ort, um abseits der Massen in eine andere Welt einzutauchen, zum Beispiel auf einer geführten oder selbst organisierten Kajak-Tour auf dem Fluss Chepu oder dem Río Puntra.

Zwar kann man an anderen, häufiger besuchten Orten in Chile – wie dem Torres del Paine Nationalpark in Patagonien oder der Atacama-Wüste im chilenischen Norden – Natur und beeindruckende Landschaft ebenso genießen; jedoch muss man dafür zu bestimmten Jahres- und Reisezeiten in Kauf nehmen, dies mit vielen anderen Naturfreunden gleichzeitig zu tun.

Reisetipps und praktische Infos für Chiloé

Anreise auf die Insel Chiloé

Am besten gelangt man mit dem Bus oder Flugzeug (alternativ auch mit der Fähre) von Santiago de Chile oder anderen Teilen des Landes nach Puerto Montt, einer Stadt im Süden der chilenischen Seenregion (Chiles Kleiner Süden). Dort mietet man entweder ein Auto, das einen nach Pargua (circa 62 Kilometer südwestlich von Puerto Montt) fährt, von wo aus eine Fähre Autos, Busse und Fußgänger auf die Insel Chiloé übersetzt, oder man nimmt den Bus.

Die größten Anlaufziele auf Chiloé sind die Kleinstädte Ancud im Norden und Castro im Zentrum der Insel. Auch Trampen dürfte gut funktionieren, im chilenischen Sommer (Januar bis März) hat man dabei aber viele junge Chilenen als „Konkurrenz“. Wir hatten unser Mietauto nie für uns allein. Im Übrigen verläuft auch die Panamericana über die Insel, da im benachbarten nordpatagonischen Festland keine durchgehende Straße existiert.

Sehenswertes auf Chiloé

eine blau-weiße Holzkirche vor blauem Himmel
Zu den schönsten Exemplaren der 150 Holzkirchen auf Chiloé gehört die Iglesia de Tenaún im Nordosten der Insel am Golf von Ancud. | Foto: Franziska Körner

Einen halben Tag wert ist die Küstenstadt Ancud mit Hafen, Markt und Befestigungsanlagen, den restlichen halben Tag kann man an schönen umliegenden Stränden verbringen, welche am besten mit dem Auto zu erkunden sind. Ein Auto empfiehlt sich auf Chiloé generell, um zu abgelegenen Stränden und kleinen Küstendörfern mit den berühmten Holzkirchen zu gelangen.

Ein schönes, aber auch vielbesuchtes Beispiel südlich von Ancud ist das Monumento Natural Islotes de Puñihuil, ein weiter Strand, von dem aus man von November bis März per Boot Magellan- und Humboldt-Pinguine sichten kann.

Ein anderes lohnenswertes Ziel ist das Dorf Tenaún an der nördlichen Ostküste mit wunderschöner blau-weißer Holzkirche und Blick auf die weiße Andenkette des nördlichen Patagonien. Von dort aus kann man auf die kleine Insel Mechuque übersetzen.

Die Inselhauptstadt Castro hat außer dem Blick auf die Palafitos, die bunten, aber schon etwas heruntergekommen Stelzenhäuser im Wasser, und einer lila-grellgelb bemalten Kirche nicht viel zu bieten.

Ein absoluter Kontrast und unser persönliches Highlight ist dagegen der Ort Chepu am nördlichen Rand des Nationalparks Chiloé, 38 Kilometer südlich von Ancud. Dorthin gelangt man am einfachsten mit dem Auto über eine lange Schotterpiste. Abgesehen von der Panamericana, die eher einer Landstraße als einer kontinentalen Hauptachse gleicht, waren die meisten Straßen auf Chiloé zum Zeitpunkt unserer Reise unbefestigt. Unser Mietwagen hat es trotzdem überlebt.

Beste Reisezeit

Das Wetter kann man auf Chiloé nicht vorhersagen, doch die Temperaturen und die Wahrscheinlichkeit für klare Sonnentage sind in den Monaten Dezember bis Februar am höchsten.

Tourenanbieter auf der Insel

Die Ökotourismus-Agentur Chiloé Natural in Castro bietet zahlreiche Ein- und Mehrtagestouren auf Chiloé abseits vom Touristenrummel an, von Trekking über Vogelbeobachtung bis hin zu Reitausflügen. Zu den Highlights eines Chiloé-Aufenthalts (und der gesamten Chile-Reise) gehört sicherlich eine mystische „Kayak at Dawn“-Tour auf einem der Flüsse im versunkenen Wald des Chiloé-Nationalparks (Stand Anfang 2019).

Tipps zu Kleidung und Verpflegung im Chiloé National Park

Regenbekleidung ist für Chiloé immer zu empfehlen, ebenso wie warme, wasserdichte Kleidung plus Mütze und Handschuhe insbesondere für die unten beschriebene „Kayak at Dawn“-Tour. In Chepu gibt es weder Restaurant noch Supermarkt, daher sollte man eigene Vorräte mitbringen. Für längere Touren im Nationalpark sollte man sich auf jeden Fall vorher in Ancud oder einem anderen größeren Ort mit ausreichend Verpflegung ausstatten.

Kajak-Tour „Kayak at dawn“ im Chiloé National Park

Blick von der Ecolodge Chepu Adventures auf den Río Chepu, Chiloé National Park. | Foto: Franziska Körner
Schon am Vortag wirkt der Fluss mit der abgestorbenen Waldebene im Licht der Abendsonne unwirklich, doch wir ahnen nicht, was uns am nächsten Morgen auf dem Chepu erwarten wird. | Foto: Franziska Körner

5 Uhr morgens … Wir steigen durch das nasse Gras und die tiefschwarze Nacht hinab zum Fluss. Unser Kajak-Abenteuer kann beginnen. Der Fluss Chepu, dessen Flusslauf wir am Abend zuvor vom Hang aus weit überblicken konnten, ist in der Dunkelheit kaum zu erkennen. Die wichtigsten Instruktionen hat unser Guide uns daher schon am Abend zuvor gegeben. Schließlich sollen wir zur richtigen Zeit an der richtigen Flussbiegung auf den hoffentlich grandiosen Sonnenaufgang warten.

Mystische Morgenstimmung am Fluss

Wir steigen ins Kajak und paddeln langsam los. Es ist stockdunkel um uns herum. Die einzige Orientierung ist das linke Flussufer, an das wir uns halten sollen, damit wir uns nicht in den seitlichen Flussarmen am rechten Ufer verirren oder gar steckenbleiben. Kein Geräusch ist zu hören, außer dem leisen Plätschern unserer Paddelschläge. Eine fast unheimliche Stille. Zu der Dämmerung hat sich auch noch dichter Nebel gesellt. Gerade mal zwei Meter weit können wir sehen.

Da bricht langsam das erste Tageslicht durch und erlaubt schemenhafte Wahrnehmungen. Abgestorbene Baumstämme ragen aus dem Wasser. Hier und da ist ein Stück vom Ufer zu erkennen.

Tierstimmenkonzert auf dem Río Chepu

Eine Frau im Kajak auf einem Fluss in der Morgendämmerung.
Warm anziehen sollte man sich bei einer morgendlichen Kajak-Tour auf dem Chepu im Chiloé National Park. | Foto: Franziska v. Treuberg

Mit dem Licht erwacht auch die Natur. Die Stille verwandelt sich plötzlich in unzählige Tierstimmen, die immer lauter werden, gleich einem Urwaldkonzert. Möglichst wenige Geräusche machen und vor allem nicht sprechen, war eine Anweisung unseres Guides. Die Tiere sind die dunkle Silhouette eines Kajaks gewöhnt, das langsam über das Wasser gleitet. Menschliche Stimmen jedoch sind absolut tabu, zumindest wenn man einen Blick auf die Fluss- und Uferbewohner im Chiloé-Nationalpark erhaschen will.

Da links, bewegt sich was! Zwei Otter am Ufer sind bereits wach und beim morgendlichen Putz in ihrem Revier. Die Tiere sind unruhig, fühlen, dass wir sie beobachten. Plötzlich schwimmt einer der Otter auf uns zu, taucht etwa einen Meter neben dem Boot aus dem Wasser und starrt uns regungslos an. Wir verharren ebenso regungslos, um ja kein Geräusch zu machen. Genauso plötzlich, wie er aufgetaucht ist, verschwindet er auch wieder. Wir lauschen dem Tierstimmenkonzert, beeindruckt von dem plötzlichen Lärm und der emsigen morgendlichen Betriebsamkeit.

Der abgestorbene Wald im Chiloé National Park

Die toten Baumstämme faszinieren uns sehr. Überall in der seichten Ufernähe ragen sie schwarz und spitz aus dem Wasser. Das Gegenlicht der hinter dem Nebel aufgehenden Sonne verstärkt den mystischen Effekt.

Die Stümpfe sind Teil einer 1.400 Hektar großen Fläche versunkenen Waldes, der sich über die gesamte Ebene vor Chepu in der Mitte der Insel Chiloé erstreckt. Infolge des großen Erdbebens von 1960 sank der Erdboden an dieser Stelle um zwei Meter. Bei dem anschließenden Tsunami drang Salzwasser vom nur wenige Kilometer entfernten Pazifischen Ozean ein, infolgedessen ein Teil des Waldes auf Chiloé abstarb. Die drei Flüsse, die im Tal des Chepu zusammenfließen, Río Chepu ,Río Puntra und Río Abtao sind seitdem Gezeitenflüsse. Die toten Baumreste sind jedoch nicht so tot wie sie aussehen, denn sie bieten für allerhand Fauna, vor allem Vögel und Wasser(rand)bewohner, ein Zuhause.

Highlight unserer Reise

Bizarre Baumleichen ragen aus dem Wasser, während hinter dem Nebel die Sonne aufgeht. "Schuld" an diesem Phänomen ist das Erdbeben in Chile von 1960, das den Erdboden im Chiloé National Park tiefer gelegt hat. Das eindringende Salzwasser bekam dem Wald nicht. | Foto: Franziska Körner
Bizarre Baumleichen ragen aus dem Wasser. „Schuld“ an diesem Phänomen ist das Erdbeben in Chile von 1960, das den Erdboden im Chiloé National Park tiefer gelegt hat. Das eindringende Salzwasser bekam dem Wald nicht. | Foto: Franziska Körner

Mit dem perfekten Sonnenaufgang wird es nichts, aber als wir den Rückweg antreten, ist die Luft klar, der Nebel hat sich verzogen und wir erkennen endlich die Landschaft um uns herum. Auf der einen Seite eine sumpfige Ebene mit abgestorbenen Baumstümpfen, durchzogen von Nebenarmen des Flusses, auf der anderen Seite lebendige Bäume und ein kleiner Abhang, der die ursprüngliche Höhe des Erdbodens im Chiloé National Park markiert.

Neun Uhr fünfzehn. Wir steigen steif – vom Sitzen und drei Stunden Kälte – aus dem Kajak. Die Sonne wärmt mittlerweile zum Glück schon ganz ordentlich. Während unsere Kleidung trocknet, genießen wir den traumhaften Blick über den Río Chepu und sein Flusstal mit der flachen Ebene, wo einst ein Wald stand.

Diese mystische Kajaktour auf Chiloé wurde einstimmig in den Rang der schönsten Erlebnisse unserer Chile-Reise erhoben.

eine Flussbiegung mit blauem Himmel, der sich im Fluss spiegelt
Mit der steigenden Sonne verzieht sich der morgendliche Nebel und wir können den Fluss Chepu in seiner ganzen Pracht bewundern. | Foto: Franziska v. Treuberg

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