Immer noch verursachen An- und Abreise den Großteil der Kohlenstoffdioxid-Emissionen eines Winterurlaubs. Laut POW, Protect our Winters und der Nationalen Grundlagenstudie Wintersport Deutschland von 2018 reisen 77 Prozent der deutschen Wintersportler mit dem eigenen Auto in ihr Lieblingsgebiet. Noch verheerender: 44 Prozent der Autofahrer sitzen alleine im Auto.

Deutsche Bahn AG | Volker Emersleben
Anreisen mit dem Auto macht einen Löwenanteil der Kohlendioxid-Emissionen aus. Anreisen zur nächsten Skitour mit der Bahn können dies reduzieren.
Doch „mit all der Ausrüstung, die langen Bahnhofssteige, treppauf-treppab, ein-, aus-, umsteigen – puhh, ist doch mühsam, braucht Muckis?!“ Zugegeben, das kann durchaus anstregend sein. Und doch gewöhnt sich, wer Öffi-gewillt ist, emissionsarm reisen mag, sich schlau und mit Geduld vorbereitet, schnell an eventuelle Unannehmlichkeiten. Diese liegen meist auf Seiten der Öffis selbst: Preis-Wirrwarr, vermehrt wenn mehrere Betreiber über Ländergrenzen genutzt werden und mehrere Webseiten oder Apps gecheckt werden müssen.
Für die Suche nach passenden Anschlüssen lohnt es sich, Puffer einzuplanen (Verspätungen), Gegenrichtungen anzusehen, die teils praktischere Fahrzeiten bieten. Im Fall von Störungen hilft es, sich dazu Mitteilungen schicken zu lassen oder aktuelle Abfahrtszeiten gegen zu checken. Ausdauer braucht es, nach Ticketpreisen und Preisnachlässen zu suchen, denn alles gut zu vergleichen lohnt sich oft. Manchmal kosten grenzüberschreitende Tickets mehr, als im jeweiligen Land gekauft. Und früh buchen heißt fast immer, weniger fürs Ticket zahlen.
Die Vorteile öffentlicher Verkehrsmittel auf Skitour
Auf den derzeit größten digitalen Freizeit-Plattformen werden immer öfter Touren-Startpunkte mit Links zur Öffi-Erreichbarkeit angeboten. Outdooractive erleichtert bei der Tourensuche mit dem Filter „mit Bahn und Bus erreichbar“ die Planung. Der Alpenverein München & Oberland guidet auf seiner Seite zu 16 Skitouren ohne Stress – öffentlich mit Bahn und Bus zum Ausgangspunkt ab dem Münchner Hauptbahnhof. Die Initiative WinterRail von „Dein Winter. Dein Sport.“ und der Deutschen Bahn AG vereint Informationen zur klimafreundlichen Bahnanreise in 90 europäische Wintersportregionen, unter anderem wie Bahnreisende vor Ort mobil bleiben. Und richtig viele Tipps zum Öffi-Reisen, samt umfassendem Bahnnetz, nützlichen Apps hat der „Godfather of Öffiskitouring“ Michael Vitzthum auf der Seite des DAV (Anm. der Red.: … der eben auch an dem Skitourenführer beteiligt war, um den es im folgenden Interview geht)
Interview mit Angi Feiner zum Skitourenführer „Natürlich mit Öffis“
(Interview im Januar 2023 von Stefan Rehm)
Stefan Rehm: Hallo Angi, ihr habt ja zu viert (Angelika Feiner, Barbara Schmid, Sven Schmid, Michael Vitzthum; Anm. d. Red.) ein Buch über Skitouren mit öffentlichen Verkehrsmitteln ab München geschrieben. Nach eurer ganzen Recherche, euren Erfahrungen und Erlebnissen: Wie kann es Deiner Meinung nach gelingen, dass mehr Skitourengeherinnen und Skitourengeher öffentliche Verkehrsmittel nutzen?
Ich glaube, die Vorteile der öffentlichen Verkehrsmittel müssen stärker kommuniziert werden, beispielsweise die Möglichkeit Überschreitungen machen zu können, keine Parkplatzsuche und zusätzliche Kosten für Parkplätze sowie bei der Fahrt zu entspannen. Die Politik vor Ort sollte Interesse haben, die öffentlichen Verkehrsmittel stärker auszubauen und weiterzuentwickeln. Dabei müssen auch die Menschen vor Ort berücksichtigt werden. In den Tourismusregionen sollte ein Verkehrssystem aufgebaut sein, dass nicht nur Übernachtungsgäste berücksichtigt, sondern sich auch an Einheimische und Tagestouristen richtet. Denn wenn wir wollen, dass sich etwas ändert, müssen alle mitmachen. Nachfrage und Angebot stehen im Zusammenhang.
Welche Skitourengebiete sind aus eurer Erfahrung besonders gut mit Öffis erreichbar?
Eigentlich alle, die auch Skigebiete haben, weil es dann oft Skibusse gibt. Hier tut sich ja inzwischen viel, etwa in Lenggries, wo inzwischen die BRB im Halbstundentakt fährt. Eine Modellregion ist Obersdorf mit über fünf Buslinien. Und für die Einheimischen gibt es Bürgerkarten, die zu Vergünstigungen führen. Es muss für die Gäste gut sein und für die Einheimischen und für Tagestouristen, wenn man wirklich etwas ändern will. Und da hat das Allgäu einen sehr guten Ansatz. Von München sehr gut erreichbar ist auch der Spitzingsee.

Angelika Feiner/privat
#bergsportisnomotorsport – die Autorinnen und Autoren des Skitourenführers „Natürlich mit Öffis“
Glaubst Du, dass sich das auch noch einmal durch das 49 Euro Ticket ändern wird?
Ich glaub ja, denn wenn Spritpreise und Parkplatzpreise teuer sind, dann lohnt es sich eben umso mehr. Viele Pendler:innen werden dann ein 49 Euro Ticket haben und es bestimmt auch in der Freizeit nutzen. Zudem kann man das 49 Ticket dann im Gegensatz zum Bayernticket ohne Zeitbeschränkungen nutzen.
Vielleich noch eine ganz praktische Frage: Wie informiert ihr euch über Verbindungen in der Planung? Auf welche Apps oder Suchmöglichkeiten greift ihr zurück?
Wenn wir eine Idee haben und wissen, wo die Verhältnisse gut sind ,schauen wir, wie wir da hinkommen. In Deutschland starten wir meistens mit der DB-App und in Österreich mit der ÖBB-App für die Recherche. Benötigen wir Busse für die An- und Abreise, nutzen wir gerne den Bayern Fahrplan und für Österreich die VVT-App. Die VVT-App ist großartig, da ist wirklich jede Bushaltestelle enthalten und es gibt zusätzlich noch Kartenausschnitte. Für die konkrete Tourenplanung stehen uns dann die gängigen Apps und klassisch Kartenmaterial zur Verfügung.
Gibt es etwas, das sich bei Dir und bei euch an zusätzlicher Ausrüstung bewährt hat? Also das ihr zusätzlich zur normalen Skitourenausrüstung mit dabei habt?
Unbedingt Handy-Ladekabel und Powerbank. Skitourenstiefel hat man eigentlich schon an. Eine Stirnlampe ist noch wichtig. Sonst habe ich nicht mehr und nicht weniger dabei als bei anderen Touren. Es ist spannend: Im Auto habe ich automatisch mehr „Zeug“ dabei, das ich nicht brauche: Schuhe, Wechsel-Shirt und so weiter, irgendwie ist das alles mehr. Mit Öffis stelle ich fest, dass ich das gar nicht brauche! Mein Wunsch an die Leser:innen wäre, es einfach mal auszuprobieren. Sich einfach einlassen und nicht unter dem Faktor Zeit sehen. Wir sehen uns im Zug!
5 Regionen, die bequem per ÖPNV erreichbar sind
Insgesamt werden Skireisen mit den Öffis deutlich attraktiver. Doch welche Regionen eignen sich besonders gut als Ausgangspunkte und vor allem zur bequemen Anreise per ÖPNV?
Kleinwalsertal/Vorarlberg
Ziele: Zu den zwei Hauptgebieten gehören das Schwarzwassertal mit Touren rund um den Hohen Ifen und der Talschluss in Baad. Wer etwa um 8:30 Uhr in Oberstdorf am Bahnhof ankommt, steht dank Walserbus Nr. 1 mit Umsteigen in Riezlern Post in die Linie 5 knapp 35 Minuten später am Touren-Start unweit der Auenhütte bei der Talstation Ifenbahn. Das coole Berghotel dient als idealer Stützpunkt, ebenso unterwegs die Schwarzwasserhütte auf 1.620 m – wer mehr als eine Tagestour hier machen will. Beliebte Touren im Schwarzwassertal führen unter anderem auf das Steinmandl und den Hählekopf. Viele weitere Tipps hält die Wirtin der Schwarzwasserhütte und selbst begeisterte Skitourengeherin Tine Müller parat.
Zur Endstation Baad braucht der Walserbus Nr. 1 ab Oberstdorf ca. 45 min. Lohnende Tourenziele sind: Gamsfuss, Güntelespitze, Höferspitze, Üntschenspitze, Grünhorn, Karlstor und Seekopf.

Martin Erd
Das Kleinwalsertal ist gut mit den Öffis zu erreichen und bietet Dir viele Möglichkeiten für Tages- als auch Mehrtagestouren.

Frank Drechsel
Das Gebiet bietet Dir neben einer großen Auswahl an Aufstiegen auch traumhafte Abfahrten.
Tipp: Alle kleinen Seitentäler (u.a. Wildental) oder ab Ortsweiler Schwende bieten weitere Spots zum Tiefschneefahren – gepaart mit klasse Aussichten auf die Gipfel der Vorarlberger Bergwelt.
Tourenplanung: Die besten Skitouren findest Du auf der Website des Kleinwalsertals.
Öffi-Fahrpläne: Infos zur Anreise mit dem Zug ins Kleinwalsertal findest Du bei Winterrail. Um dann entspannt mit dem Bus anzureisen und die richtige Walserbus-Linie herauszufinden, nutzt Du am besten die Internetseite des Kleinwalsertals.
Imst-Pitztal/Tirol
Ziele: Perfekt angebunden halten hier regelmäßig Züge von DB, ÖBB und Nightjet. Besonders hervorzuheben ist das Angebot „Über Nacht in die Berge“. Erreicht ist die historische Brunnenstadt in etwas über drei Stunden ab München. Da die drei Stunden Fahrt ein- bis dreimal umsteigen beinhaltet, ist Imst-Pitztal von München aus eher fürs Wochenende oder eine Mehrtages-Reise geeignet. Zu Imst gehört das Skigebiet Hoch-Imst. In 20 Minuten ist man in den Skigebieten des Ötz-, Pitz- und Paznauntal samt Pisten-Skitourenangebot. Rund um Imst laden 16 ausgewiesene und unzählige weitere Skitourenmöglichkeiten mit traumhafter Bergkulisse der Lechtaler Alpen ein. Diese sind als Ausläufer vom Arlberg recht schneesicher.
Tipp: Per kostenloser Gästekarte sind alle Busse kostenfrei. Donnerstags bietet der Imst-Tourismus geführte Einsteiger-Skitouren mit der Skischule Mountainworks an.
Tourenplanung: Skitouren können ganz einfach über die Outdoorregion Imst geplant werden. Darüber hinaus finden sich weitere Informationen auf der Seite des Imst-Tourismus.
Öffi-Fahrpläne: Die Anreise kann über Winterrail geplant werden. Für weitere Infos zu Busverbindungen vor Ort steht die Seite des Imst-Tourismus zur Verfügung.

Marco Kost
Imst-Pitztal bietet 16 ausgewiesene und viele weitere Tourenmöglichkeiten, die außerdem recht schneesicher sind.
Ruhpolding/Chiemgau, Bayern
Ziele: Die Anreise per Zug erfolgt über Traunstein und verläuft weiter mit der Regiobahn. Angekommen in Ruhpolding startet am Bahnhof im Ortskern die Dorfbuslinie im Halbstundentakt, die für Gäste, die mindestens eine Nach bleiben, kostenlos ist. Von dort gelangt man zur etwa 4 Kilometer entfernten Haltstelle Bärngschwendt, etwas weiter zur Unternberg-Talstation. Ab beiden Startpunkten geht es samt Skitouren-Lehrpfad auf den 1.450 Meter hohen Unternberg. Variante für Erfahrene ist nebenan der 1.488 Meter hohe Eisenberg. Per RVO-Bus (teils kostenpflichtig) geht es zudem nach Brand, Start zur Tour auf Hochfelln oder Thoraukopf, nach Urschlau mit Start zur Haaralmschneid. Ab Haltestelle Aschenau/Froschsee stehen der Rauschberg mit Abfahrt Rossgasse und Streichen an, ab Seegatterl das Dirnbachhorn und – wer Insider befragt – viele weitere Ziele.
Tipp: Alfons Pichler, Guide und Seniorchef des Helds Vital Hotel direkt am Bahnhof, führt gerne auf Anfrage rund 20 weitere Skitouren rund um Ruhpolding.
Tourenplanung: Ruhpolding stellt auf seiner Homepage Toureninfos für Dich zur Verfügung. Wem das nicht ausreicht, findet weitere Tourenoptionen auf Outdooractive.
Öffi-Fahrpläne: Die Dorflinie, die am Bahnhof startet findest Du hier: Fahrplan Buslinie. Weitere Infos zu Verbindungen mit dem RVO findest Du auf der Seite der Deutschen Bahn.
Bodenmais/Bayerischer Wald, Bayern
Rund um Bodenmais warten feine Berghänge, Winterwildnis und sechs Strecken nach DAV-Standard, dazu viele weitere lawinenfreie Touren – etwa per Zug mit der Waldbahn Richtung Rachel im Nationalpark, Richtung Zwiesel, Falkenstein und ins benachbarte Tschechien. Gleich bei Bodenmais lockt etwa das Dach des Bayerischen Waldes, der Großen Arber, mit einmaliger, rund acht Kilometer langer Abfahrt vorbei an der Chamer Hütte bis nach Bodenmais zum Silberberg-Hallenbad.
Schon die Zuganfahrt (von München knapp 3 Stunden mit 2 Umstiegen) führt mit der Waldbahn entlang der schönsten Bahnstrecken Deutschlands. Vor Ort sorgt ein top Linienbusnetz samt 18 Rufbussen für beste Erreichbarkeit der Skitour-Starts. Guides von Tolltours zeigen vor Ort und im gesamten Bayerischen Wald zig weitere Gipfelziele wie Enzian, Heugstatt oder Schwarzeck.

Bayrischer Wald
Zum einen ist die Chamer Hütte am Großen Arber einen Ausflug wert…

Bayrischer Wald
zum anderen sind viele Touren rund um Bodenmais in der Regel lawinenfrei.

Bayrischer Wald
Nach dem Aufstieg zum Silberberg…

Bayrischer Wald
…hast Du eine grandiose Aussicht vom Gipfelkreuz.
Tipp: Wer übernachtet, nutzt per Gästekarte GUTi das gratis Bayerwald-Busticket für 24 Gemeinden, das gesamte Waldbahnnetz-Tagesticket kostet 9,50 €.
Tourenplanung: Bodenmais bietet geführte Touren sowie GPS-Routen auf seiner Homepage an.
Öffi-Fahrpläne: Passende Fahrpläne zur Anreise nach Bodenmais findest Du über den DB-Navigator, Bayernfahrplan und Winterrail. Für Fahrpläne vor Ort bietet Bodenmais selbst passende Infos. Darüber hinaus hat der Bayerwald einen eigenen Bus-Fahrplan für die Wintersaison.
Andermatt/Zentralschweiz
Tipp: Zig weitere Tagestouren bieten Göscheneralptal und Meiental (erreichbar per Schneetourenbus). Könner lieben die Urner Haut Route, wobei man fünf einsame und grandiose Tage zwischen Andermatt und Engelberg durch die Zentralschweizer Alpen tourt – mit anschließender Traumabfahrt nach Engelberg.
Tourenplanung: Der Andermatt Tourismus bietet Informationen für Skitouren auf seiner Seite. Dort können außerdem geführte Touren gebucht werden. Weitere Tourentipps findest Du unter Andermat, Sedrun Disentis.

Andermatt Tourismus | Valentin Luthiger
Bei einer Reise nach Andermatt kommen Zugfans bereits bei der Anfahrt voll auf ihre Kosten.

Andermatt Tourismus | Johann Axelsson
In Andermatt angekommen bieten sich schier endlose Möglichkeiten für Skitouren.
Öffi-Fahrpläne:
Infos zur Anreise findest Du hier:
Infos für Fahrpläne vor Ort:
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