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Wanderwegepflege

Wolfgang Germann, Wegewart beim DAV Oberland, im Interview

9 Minuten Lesezeit
Selten machen wir uns als Wanderer Gedanken über etwas Elementares: den Wanderweg. Höchstens wenn wir ihn einmal verloren haben oder er beschädigt ist. Doch wer kümmert sich eigentlich um unsere Wege? Ein Wegewart im Gespräch.

Wanderwege – so sind wir es gewohnt – sind einfach da. An erosionsgefährdeten Stellen finden sich Stufen, an ausgesetzten Passagen Sicherungen und an Abzweigungen Markierungen oder Schilder. Aber irgendwie muss das alles auch dorthin kommen. Dafür sorgen Menschen wie Wolfgang Germann, ehrenamtlicher Wegewart der DAV-Sektion Oberland. Sein Vorgänger sagte ihm, er wäre etwa zehn Tage im Jahr unterwegs. Es sind wohl, erzählt er, eher zwanzig Tage, an denen er in seinem Gebiet, dem Zahmen Kaiser hinter Kufstein und Ebbs, auf Achse ist. Um immerhin 70 Kilometer Wege muss er sich kümmern. Er prüft er den Zustand der Wege, bessert aus, räumt weg.

Wir haben Wolfgang Germann gefragt, wie der Weg eigentlich zu dem wird, was wir vorfinden, wie er erhalten wird, wie man sich richtig verhält und was sich in den vergangenen Jahren geändert hat.

Wie wird man eigentlich Wegewart beim DAV?

DAV_Logo_MUE_OBER_2008_4C.QXDStefan Rehm: Hallo Wolfgang. Die erste Frage drängt sich geradezu auf: Wie wird man denn eigentlich Wegewart beim Alpenverein?

Wolfgang Germann: Ich war selbstständig und habe dann mein Büro aufgelöst. Und dann wollte ich etwas Sinnvolles machen. Und nachdem ich sowieso viel in den Bergen unterwegs bin, habe ich mir gedacht: rufst Du einfach mal beim Alpenverein an. Eigentlich hatte ich als Statiker eher an Hüttenwart gedacht. Ein paar Häuser habe ich für mich ja auch schon gebaut. Allerdings wurde bei der Sektion Oberland stattdessen dringend ein Wegewart gesucht. Dann bin ich halt Wegewart geworden …

Und nach drei Jahren: Bist Du froh drüber, dass Du da hineingerutscht bist?

Wolfgang Germann: Ja, es macht schon noch Spaß. Auch wenn ich sage: die Zeit ist begrenzt. Das mache ich noch zwei, drei Jahre. Ich bin ja auch schon 71.
Wenn Du in Deinem Revier unterwegs bist, dann gehst Du da nie „nur wandern“. Meistens habe ich dann einen Pickel oder eine Schere dabei und mache unterwegs etwas. Dann gehe ich oft das Eineinhalbfache an Höhenmetern, als wenn ich ohne Aufgabe unterwegs bin.

Hast Du bei dieser Wegepflege auch Unterstützung, oder musst das alles Du machen? Sind dabei auch Unternehmen mit im Boot?

Wolfgang Germann: Ich habe einen kompetenten Mitarbeiter vor Ort. Der ist aber auch ein Spezialist, der sich mit Wegebau auskennt und auch mal einen Bohrhaken setzen kann. Alles andere sind dann größere Projekte, die auch mehr Absprachen erfordern. Außerdem besteht die Möglichkeit, Arbeitsaktionen über die Sektion mit Freiwilligen oder der Jugend zu organisieren.

Wer ist eigentlich zuständig für Wanderwege?

Wege instand halten bedeutet: viel Arbeit. |Foto: Wolfgang Germann
Wege instand halten bedeutet: viel Arbeit. | Foto: Wolfgang Germann

Für den Erhalt und Unterhalt der Wege ist ja nicht nur der DAV zuständig. Mit wem musst Du Dich dafür abstimmen?

Wolfgang Germann: Das sind bei uns vor allem die Gemeinden. Die haben alle Interesse daran, dass die Wege erhalten bleiben. Mit Ebbs funktioniert das bei uns sehr gut. Da ist dann sogar jemand vom Bauhof mitgegangen, als zum Beispiel ein Weg ziemlich stark beschädigt war. Auch mit dem Tourismusverband Kaiserwinkel kriegen wir das gut auf die Reihe.

Wie erfährst Du etwa von Schäden an Wegen? Und an wen kann ich mich wenden, wenn ich so etwas entdecke?

Wolfgang Germann: Meistens kriegen wir Meldung von Wanderern, die auf Hütten oder bei der Gemeinde Bescheid sagen. Sonst kann man natürlich auch einfach den Alpenverein bzw. die zuständige AV-Sektion anrufen oder eine kurze Mail schreiben. Das wird dann entsprechend weitergeleitet.

Darf eigentlich jedermann einfach so einen Weg anlegen oder bedarf es dafür einer Genehmigung? Und wer erteilt diese?

Wolfgang Germann: Nein, man darf natürlich nicht einfach so einen Weg anlegen. Das muss mit dem Grundstückseigentümer abgesprochen sein. In Österreich, wo unser Wegegebiet liegt, ist das schwierig. Bestehende Wege fallen unter das alte Wegerecht. Wo ein Weg ist, darf er auch bleiben.

Wer haftet auf Wanderwegen?

Haftungsfrage ist ein gutes Stichwort: Wie steht es denn eigentlich rechtlich mit den Wanderwegen. Ist der Alpenverein und Du als Wegewart „verantwortlich“ für die Wege?

Wolfgang Germann: Verantwortlich ist der DAV als Wegehalter. Die Sektionen und die für sie Handelnden, also auch ich in meiner Funktion als ehrenamtlicher Wegereferent, sind aber durch die vom Alpenverein abgeschlossenen Versicherungen vor den zivilrechtlichen Folgen eines Schadensfalls geschützt.

Alle jammern ja über den Investitionsstau auf deutschen Straßen. Wie ist das denn bei Wanderwegen? Gibt es dort auch viele Neuanlagen und Renovierungsmaßnahmen, die wegen Zeit- und Geldmangel aufgeschoben werden?

Wolfgang Germann: Nein, das kann man nicht sagen. Insgesamt sind unsere Wege sehr gut in Schuss. Ich bin ja auch sonst viel unterwegs, ich wandere überall. Solche Wege wie hier gibt es kaum. Das hängt aber auch sehr stark vom Gebiet ab. Der Zahme Kaiser ist einfach ein Wandergebiet. Der Wilde Kaiser ist da wieder anders.

… bitte auf den Wegen bleiben …

Die Erosion als Feind des Wegewarts. Wanderwege müssen gepflegt werden. | Foto: Wolfgang Germann
Die Erosion als Feind des Wegewarts. Wanderwege müssen gepflegt werden. | Foto: Wolfgang Germann

Der DAV warnt ja immer, man solle die markierten Wege nicht verlassen. Wie lange dauert es, bis sich die Vegetation von solchen Schäden wieder erholt?

Wolfgang Germann: Das ist ganz schwierig. Auf Felsen ist das ein geringeres Problem. Aber wenn im grasigen Gelände etwas wächst, kann das schon einmal Jahre dauern, bis sich das erholt hat.

Gibt es denn auch Maßnahmen zur Renaturierung?

Wolfgang Germann: Kaum. Eigentlich nur, wenn etwas Größeres passiert. Wenn etwa eine Lawine oder Mure abgeht. Es gibt Pflanzaktionen, aber das sind dann ganz spezielle Aktionen. Bei mir kam das bisher noch nicht vor. Aber es gibt ja innerhalb der Sektion auch Gruppen, die sich im alpinen Natur- und Umweltschutz engagieren und verschiedene Aktionen und Projekte durchführen.

Stellen wir uns die Situation vor: Während ich ganz brav auf dem Weg vor mich hin gehe, sehe ich andere Wanderer einen steilen Abschneider benutzen. Wie gehe ich am besten mit so einer Situation um? Wie spreche ich so etwas richtig an?

Wolfgang Germann: Ja, das ist schwierig, ich bin ja auch nicht der Oberlehrer. Ich würde ihn freundlich darauf hinweisen, dass das nicht so gut ist, was sie oder er hier macht. Dann wird sich schon ein Gespräch entwickeln. Es ist ja auch nicht immer böser Wille. Wer’s absichtlich macht … ich bin nicht die Polizei.
Im Zahmen Kaiser selbst haben wir das Problem kaum. Wir heben nur wenige Wege, wo Du unten schon siehst, wo Du oben rauskommst. Ich kenne es eher privat, wenn ich woanders wandern bin. Und da spreche ich das in einer netten, höflichen und wenn’s geht auch lustigen Art an.

Wege werden ja nur zum Teil angelegt. Manche entstehen einfach, weil Menschen zu einem bestimmten Ziel gelangen wollen, etwa zu einem Aussichtspunkt oder zu einem Kletterfelsen. Welche Rolle spielen solche wilden Pfade in Deiner Arbeit?

Wolfgang Germann: Da kümmern wir uns nicht drum. Es gibt zum Beispiel einen Weg auf den Jofen, den zweithöchsten Berg nach der Pyramidenspitze. Das ist so ein Jägerweg, da ist nichts markiert, der ist extrem steinschlaggefährdet. Es gibt immer Einheimische, die den Weg kennen und gehen. Als Wegewart bin ich nur für die offiziell markierten AV-Wege in meinem Arbeitsgebiet zuständig.

Reinhold Messner hat einmal in einem Interview gesagt, ab ca. 2.000 Metern müsse mit der Infrastruktur – also auch Wegen – Schluss sein. Man kann diese radikalen Äußerungen ja durchaus kritisch sehen. Aber er spricht damit natürlich schon eine sensible Frage an, nämlich: Wie konsumfreundlich müssen Wanderwege eigentlich sein? Muss wirklich jede anspruchsvollere Passage versichert werden? Oder lockt man so auch Leute in alpines Gelände, für das sie nicht fit genug sind?

Wolfgang Germann: Ich spreche mich da mit meinem Mitarbeiter ab, der ja sehr erfahren ist. Bei uns gibt es nur den Weg auf die Pyramidenspitze, der seilversichert ist. Der war über längere Zeit gesperrt, weil wir dort einen großen Steinschlag hatten. Da war der Tourismusverband natürlich nicht erfreut. Jetzt ist er wieder in Betrieb und wird auch wieder erhalten. Aber ohne Seilversicherung würden weniger raufgehen. Und das wäre auch schade. Ein paar Berge sollte man schon so erschließen, dass ein normaler Mensch noch rauf kann. Aber alle Berge sollte man natürlich nicht zubohren.

Wandern in Zeiten von GPS, Internet & Co.

Wie verändern GPS und Internet die Wegfindung? | Foto: Wolfgang Germann
Wie verändern GPS und Internet die Wegfindung? | Foto: Wolfgang Germann

Früher war der Informationsfluss ja recht klar: Man hat sich auf einer einschlägigen Wanderkarte über Wege informiert. Heute schwirren alle möglichen Informationen im Internet herum, seien es GPS-Tracks, Beschreibungen in Blogs oder Projekte wie Open Street Map. Verändert das Deiner Meinung nach den Umgang mit Wanderwegen?

Wolfgang Germann: Nein, den Eindruck habe ich nicht. Das ist beim Mountainbiken viel schlimmer. Viele haben das GPS-Gerät eher für den Notfall dabei, etwa wenn sie sich verlaufen. Die schauen schon auch auf Schilder und Markierungen.
Aber das mit den Schildern ist ohnehin so eine Sache. Dort sind oft Zeiten angegeben. Ich habe für mich ein Wegehandbuch zusammengestellt und habe als grobe Richtwerte für den Aufstieg 300 Höhenmeter pro Stunde, für den Abstieg 500 Höhenmeter pro Stunde auf eine Weglänge von vier Kilometern kalkuliert. Aus meiner persönlichen Erfahrung sind bei manchen Wegeschildern die Zeiten entweder zu knapp oder auch zu lang bemessen.

Was würdest Du den Wanderern dann raten?

Wolfgang Germann: Ich würde unbedingt sagen: Achtet bitte nicht nur auf die Ausschilderung, sondern mehr auf Topografisches Kartenmaterial und GPS. Nach Karte oder GPS weiß ja jeder die Höhendifferenz und Strecke. Und dann muss jeder seinen persönlichen Wert für die Planung finden. Auch wenn da die Schwierigkeit natürlich noch nicht mit einberechnet ist.
Aber die Angaben auf Schildern können sehr schwanken. Da empfiehlt sich wirklich nur Vorbereitung und Erfahrung. Und es können auch Berichte aus dem Internet helfen.

Wegewart – mehr Arbeit oder Passion?

Noch eine Frage an Dich persönlich: Ist Deine Tätigkeit als Wegewart mehr Arbeit oder mehr Passion? Oder mehr Sport?

Wolfgang Germann: Es ist eine Arbeit mit Passion. Sport, naja. Es ist eigentlich mehr Arbeit als Sport. Wenn ich Sport mache, dann trenne ich das besser. Es ist sicher auch eine Passion, meine Wege in Ordnung zu haben und hier und da noch ein Projekt zu realisieren.

Du bist ja zuständig für das Gebiet am Zahmen Kaiser. Was ist denn Dein Lieblingsweg dort?

Wolfgang Germann: Das ist die Höll, aber unter dem Namen kennt ihn kaum jemand. Dieser Weg geht parallel zum normalen Fahrweg zur Vorderkaiserfeldenhütte hinauf über die Hechleitenalm. Und der Weg ist wirklich wunderwunderschön. Er ist schön bewaldet und auch im Sommer angenehm, schöne Felsen daneben. Und im Gegensatz zum anderen Weg nach Vorderkaiserfelden geht dort kein Mensch.

Bist Du zufrieden mit Deiner Arbeit als Wegewart?

Wolfgang Germann: Ja, sonst würde ich es auch nicht machen. Also wenn mir das auf die Nerven geht, werde ich es nicht mehr machen. Solange ich noch so fit bin, mache ich es gerne.

Vielen Dank, Wolfgang, für das schöne Gespräch und Dir noch viele Stunden im Zahmen Kaiser und auch sonst überall.

Jetzt seid Ihr gefragt: Wo befindet sich Euer Lieblingsweg? Teilt uns Eure schönsten Wege im Kommentarfeld mit!

 

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