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Von Granit und Wildschweinen

Alpin- und Sportklettern auf Korsika (Restonica, Bavella)

19 Minuten Lesezeit
Auf Korsika werden Alpinkletterer wie Sportkletterer mit einmaligem Granit beglückt. Bene Hirschmann aus dem Bergzeit Kletterteam stellt die Klettergebiete im Restonica-Tal und am Bavella-Pass vor.

Nach zwei Wochen Sportklettern im sonnigen Rodellar (Spanien) empfing uns im heimatlichen Oberbayern strömender Regen. An Klettern – außer in der Halle – war nicht zu denken, da so ziemlich alle Felsen von oben bis unten mit einer nicht reibungsförderlichen Wasserschicht überzogen waren. Und von den wertvollen Semesterferien waren noch ganze vier Wochen übrig. Ein Plan musste her! Abhilfe schuf eine Insel im Mittelmeer, auf der schon Asterix und Obelix ihre Abenteuer erleben durften: Korsika.

Die Anreise nach Korsika erfolgt entweder per Auto und Fähre oder mit Flugzeug und Mietwagen. Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass man für die Fortbewegung mehr Zeit veranschlagen sollte, als man es im Mitteleuropa gewohnt ist. Die Straßen sind sehr schmal und oft sehr gewunden.

Val Restonica – Tafonigranit im korsischen „Mini Yosemite“

Tafoni - so nennt man die außergewöhnlichen, zerfressenen Felsstrukturen im korsischen Granit. | Foto: Bene Hirschmann
Tafoni – so nennt man die außergewöhnlichen, zerfressenen Felsstrukturen im korsischen Granit. | Foto: Bene Hirschmann

Ein bisschen erinnert das Val Restonica an die Tolumne Meadows im Yosemite: Granitplatten und Kiefernwälder zieren die steilen Hänge, ein traumhafter Wildbach fließt durch den engen Talgrund und bietet zahlreiche Möglichkeiten zum Baden, Steinmännchen-Bauen und Entspannen. Das Tal verengt sich in Mitte sehr stark und die kleine, oft einspurige Straße führt sehr abenteuerlich durch die steilen Felshänge.

Vor allem von Mai bis September ist diese Straße stark befahren, da viele Korsen für einen Wochenendausflug ins Val Restonica kommen, um Wanderungen im hinteren Teil des Tals zu unternehmen. Staus und wilde Verkehrsmanöver (zehn Autos fahren gleichzeitig an der engsten und steilsten Stelle rückwärts, weil der Gegenverkehr sonst nicht weiter kommt) sind hier vorprogrammiert. Bewegt man sich jedoch weg von der Straße und vom Fluss findet man die vollkommene Einsamkeit.

Tafoni, Tafoni, Tafoni – der beste Granit der Welt

Der Fels im Restonica ist einfach nur gigantisch und wirklich einzigartig: Der hier vorkommende „Tafoni-Granit“ bietet Felsformen und Strukturen, die man im Granit ansonsten fast nie findet, eher im Kalk oder im Sandstein. Der Fels ist oft nur so übersät mit telefonzellengroßen Löchern und Graniteiern. Typisch für Tafoni sind auch die großen Zapfen, die wie Riesendornen aus der Wand ragen und besser zu greifen sind als jeder Henkel in der Kletterhalle. Das absolute Highlight sind die zahllosen Sanduhren, die sich nicht nur perfekt greifen, sondern zur zusätzlichen Absicherung fädeln lassen. Überhänge werden zum Spaziergang, wenn man sich einfach von Zapfen zu Zapfen und von Sanduhr zu Sanduhr hangeln kann.

Natürlich gibt es auch im Restonica die granittypischen Platten, Risse und Leisten, aber die Tafoni-Konturen dominieren definitiv das Bild der Kletterei. Langeweile kommt sicher nicht auf: Es gibt kleine, aber feine Sportklettergebiete und zahlreiche Alpinkletterspots von 100 bis 400 Meter, freistehende, turmähnliche Felszacken wechseln sich mit großen Wänden ab.

Sportklettern im Val Restonica

Das Sportklettern im Val Restonica ist vielfältig; generell sind die Zustiege sehr überschaubar. Länger als 20 Minuten geht man selten. Einige Sektoren liegen sogar direkt neben der Straße (etwa Picellu und Frasetta). Sektoren wie Sorbellu oder U Muséu erfordern zwar einen etwas längeren Zustieg; dafür findet man hier ein sehr umfangreiches Routenangebot an wunderbar strukturiertem Fels, gerade in den unteren und mittleren Schwierigkeitsgraden (bis 8a). Routen im achten französischen Schwierigkeitsgrad sind dort jedoch vergleichsweise wenig vorhanden – auch wenn es sicher reichlich Potential dafür gäbe.

Alpinklettern im Val Restonica – hier kommt jeder zum Zug

Mobile Absicherung ohne Angstfaktor, viele Bohrhaken und noch mehr Sanduhren – das findet sich im Restonica Tal. Über die Hälfte der Routen benötigt keine zusätzliche Absicherung und ist mit soliden Bohrhaken ausgestattet. Für alle, die komplett cleane Touren suchen, ist das Val Restonica wahrscheinlich der falsche Ort. Wer jedoch entspannte Mehrseillängenrouten vom fünften bis zum achten Grad (5a bis 7b) genießen und einfach Urlaub machen will, findet hier ein wahres Paradies. Neben den reinen Bohrhakenrouten existieren viele Alpintouren, die mit zusätzlichen mobilen Sicherungsmitteln geklettert werden sollten.
Angst braucht man jedoch nie zu haben, da es Sanduhren und Köpfl im Überfluss gibt. Oft sind diese auch schon vorgefädelt mit Seilstücken oder Reepschnüren, sodass manche Routen, in denen man eigenverantwortlich absichern muss, fast schon Bohrhakentouren gleichen. Fakt ist: Wo in den Alpintouren Sanduhren oder Köpfl zu finden sind, wurden meist keine Bohrhaken gesetzt, allerdings ist eine Sanduhr mit einem halben Meter Durchmesser oder ein massiver Felskopf oft mindestens genauso sicher wie ein Haken. Zur Standardausrüstung gehört also eine anständige Portion Bandschlingen (auch 120 Zentimeter und 180 Zentimeter, am besten dick) und Reepschnüre.

Friends und Klemmkeile werden kaum benötigt, auch wenn im Topo oft unnötigerweise eine übertriebene Anzahl an Friends angegeben ist. (Anmerkung: Solche Einschätzungen sind zwar oft subjektiv, allerdings weisen viele Touren in Restonica, die laut Topo Friends oder Keile benötigen, trotzdem oft sportkletterähnliche Hakenabstände von zwei bis drei Metern auf und der Rest ist mit vorgefädelten Sanduhren ausgestattet. Wir hatten in allen Routen die angegebene Zahl an Friends dabei und benötigten genau einmal einen mittleren Camelot, um einen Hakenabstand von etwa vier Metern im sechsten Grad zu „entschärfen“).

Der Kletterführer „Grandes voies de Corse“ von B. Maurin und T. Souchard beinhaltet alle Alpinklettereien des Restonica-Tals, ist aber unserer Meinung nach oft etwas unstrukturiert oder behält wichtige Informationen vor. So fehlt zum Beispiel in den meisten Touren die Angabe der benötigten Zahl an Expressen. Die Autoren schreiben hierzu im Vorwort, dass „jeder Kletterer selbst entscheiden sollte, wie viele Expressschlingen er in einer Route mitführt“. Schade, denn die meisten Alpinkletterer wüssten trotzdem gerne, ob sie nun sechs oder zwanzig Exen zum Einstieg schleppen sollen… Deshalb empfiehlt es sich, in jede Route mindestens zwölf Expressen mitzunehmen – damit sind wir immer gut gefahren und uns hat nie eine Exe gefehlt. Die Anzahl der mobilen Sicherungsmittel ist im Buch hingegen meist übertrieben, wie bereits oben erläutert. Die Zustiege sind gut auf Englisch beschrieben, mit den Übersichtsskizzen sollte man sich jedoch erst einmal vertraut machen, um sich später vor Ort schnell orientieren zu können.

Kurze Zustiege zu langen Touren und lange Zustiege zu kurzen, aber genialen Touren

Der wohl kürzeste Zustieg im Restonica-Tal liegt bei zirka zehn Minuten: zum Monte Leonardo in der Mitte des Tals. Die meisten Anstiegszeiten bewegen sich zwischen 20 Minuten und einer Stunde. Einige Highlights wie zum Beispiel den Pointe des 7 lacs mit der „Symphonie d’automne“ (6a+, 180m, 6 SL) fordern einen Zustieg von knapp zwei Stunden. Man wird jedoch durch eine Wahnsinnskletterei über einem Bergsee wieder entlohnt. Der Großteil der Klettereien ist aber in Arco’schen Zustiegszeiten zu erreichen.

Die alpinen Highlights im Val Restonica – überhängende Fünfer und glatte Platten über tiefem Wasser

Punta u Finellu:
Punta u Finellu: „Esméralda“ im Val Restonica auf Korsika: Geniale Tafoniverschneidung in der 8. Seillänge (6b). | Foto: Bene Hirschmann

Punta u Finellu: „Esméralda“

  • Schwierigkeit: 6b+ maximal, 6a+/A0
  • Länge: 450 Meter, 10 Seillängen (+ 3 zusätzliche, nicht zwingende Ausstiegsseillängen)
  • Absicherung: durchgehend mit Bohrhaken und fixen Sanduhren und Köpfeln, zusätzliche mobile Absicherung an Sanduhren und Köpfeln möglich
  • Material: 14 Expressen, 50-Meter-Doppelseil, Bandschlingen (2 x 60cm, 2 x 120cm, evtl. 1x 180 cm), evtl. einen mittleren Friend (1 oder 1,5) für die erste Seillänge (nicht zwingend)
  • Zustieg: anfangs auf einem Steig, später weglos entlang eines Bachbetts (zu Fuß vom Camping Tuani in einer guten Stunde)
  • Abstieg: Abseilen über die Route bis zum großen Brotzeitband in Wandmitte, von dort auf dem Band zu Fuß weiter bis zum Materialdepot im Bachbett (Rucksack etc. an der Stelle deponieren, wo der Zustieg das Bachbett in Richtung Wand verlässt, dort kommt man beim Abstieg wieder vorbei).
  • Beschreibung: Geniale Tour in Tafoni-Granit mit vielen Sanduhren, großen Felszacken und von Henkeln übersäten Überhängen, zum Teil sehr trickreiche Risse und Verschneidungen
Punta Spenicazzia:
Punta Spenicazzia: „Candella di l‘oro” Gehgelände am Ende der 2. Seillänge. | Foto: Bene Hirschmann

Punta Spenicazzia: „Candella di l‘oro”

  • Schwierigkeit: 5 maximal, 5/A0
  • Länge: 200 Meter, 5 lange Seillängen (letzten Zwischenstand an Sanduhren überklettern!)
  • Absicherung: Bohrhaken an den Ständen und an Schlüsselstellen (1-2 pro Seillänge), ansonsten viele fixe Sanduhren (Seilstücke, evtl. verstärken mit eigenem Material) und Köpfl
  • Material: 12 Expressen, 50-Meter-Doppelseil, Bandschlingen (2 x 60cm, 2 x 120cm, evtl. 1x 180 cm), evtl. zwei mittlere Friends (1 oder 1,5) (nicht zwingend)
  • Zustieg: mit dem Auto vom Camping Tuani 1,5 Kilometer, dann rechts am Straßenrand parken und auf schlechter Forststraße links hinunter in den Talgrund über eine Brücke, rechts halten und weiter auf schlechter Forstraße in ein Seitental (20 Minuten) entlang des Baches. Vor einer Brücke, die den Bach nach rechts überquert, in entgegengesetzter Richtung nach links bei einem Steinmännchen auf einen steilen Pfad abbiegen und diesem folgen, bis die Felsnadel ins Blickfeld kommt. Der Einstieg befindet sich am rechten oberen Wandfuß (Steinmann und Bohrhaken).
  • Abstieg: Abseilen über die Route (den letzten Stand auslassen und stattdessen nach rechts vorbei an kleinem Baum direkt zum Wandfuß abseilen), dann am Wandfuß fünf Minuten bergab zum Einstieg
  • Beschreibung: Geniale Tour in extrem gut strukturiertem Tafoni-Granit mit vielen Riesen-Sanduhren, mannsgroßen Felslöchern, in denen man sitzen kann, großen Felszacken und von Henkeln übersäten Überhängen. Trotz der Steilheit übersteigt die Route den fünften Grad nie, da große Zacken (teils wie in der Halle…) und Löcher die Überhänge zu einer leichten Turnübung machen. Alles in allem einer der besten Fünfer, die man im Granit klettern kann. Leider etwas kurz, sodass der Spaß bald vorbei ist. Wer schwerer unterwegs ist, kann links davon noch die traumhafte und anspruchsvolle „Acqua di rocca“ (7a, 200 Meter) dranhängen.
Punta Spenicazzia:
Punta Spenicazzia: „Acqua di Rocca” Der rote Wahnsinnsfels in der Schlüsselseillänge (7a). | Foto: Bene Hirschmann

Punta Spenicazzia: „Acqua di Rocca”

  • Schwierigkeit: 7a, 6b/A0
  • Länge: 200 Meter, 7 Seillängen (endet wie „Candella di l’oro“)
  • Absicherung: Durchgehend mit Bohrhaken sehr gut abgesichert, keine mobilen Absicherungsmittel nötig
  • Material: 12 Expressen, 50-Meter-Doppelseil
  • Zustieg: siehe „Candella di l’oro“
  • Abstieg: siehe „Candella di l’oro“
  • Beschreibung: Anspruchsvolle und wunderbar abwechslungsreiche Tour, die vom Überhang bis zur Kaminkletterei alles zu bieten hat. In der Wandmitte ist der Fels durchgehend rot-orange und wirkt fast schon ein bisschen wie am Mount Arapiles in Australien. Die Schlüsselseillänge (hart 7a) ist sehr athletisch und hat viele runde, glatte Leisten zu bieten, die einem das Laktat in die Unterarme schießen lassen. Speziell ist die dritte Seillänge (6a): Hier muss zuerst in eine kleine Schlucht abgeklettert und anschließend immer auf Kopfhöhe des Sicherers auf der gegenüberliegenden Wandseite nach rechts gequert werden. Der nächste Stand befindet sich dann genau zehn Meter gegenüber dem vorherigen Stand auf der anderen Seite der Schlucht. Auch die vierte Seillänge (6b) mit ihrer kaminähnlichen Kletterei an glattem Granit fordert einiges an Kletterkönnen und Geschick und ist durchaus etwas respekteinflößend. Insgesamt eine spaßige Tour mit vielen Bohrhaken und tollem Fels, der in keiner Seillänge gleich ist.
Pointe des 7 lacs:
Pointe des 7 lacs: „Symphonie d’automne“ Blauer Tiefblick in der 2. Seillänge. | Foto: Bene Hirschmann

Pointe des 7 lacs: „Symphonie d’automne“

  • Schwierigkeit: 6a+, 6a/A0
  • Länge: 180 Meter, 6 Seillängen (6. Seillänge im vierten Grad unlohnend und erzwungen)
  • Absicherung: Durchgehend mit Bohrhaken abgesichert, teils etwas sportliche Abstände in den Platten (3-4 Meter), keine mobilen Absicherungsmittel nötig bzw. möglich
  • Material: 12 Expressen, 50-Meter-Doppelseil
  • Zustieg: Mit dem Auto in zehn Minuten vom Camping Tuani zum großen Parkplatz am hintersten Ende des Tals (kostenpflichtige Mautstraße). Von dort dem breiten Wanderweg zum Lac du Melo folgen, vorbei an einer kleinen Käserei. Nach der Käserei verzweigt sich der Weg. Beide Varianten sind in etwa gleich lang, die linke ist jedoch angenehmer zu gehen. Nach 50 Minuten erreicht man den Lac du Melo. Von dort rechts am See entlang zu einer kleinen Hütte und von dieser steil bergauf – immer auf dem großen Wanderweg – in weiteren 50 Minuten zum Lac du Capitello. Man erreicht zuerst eine Art Aussichtspunkt auf den See (dort sitzen später meist um die 50 Zuschauer, die die Kletterer bestaunen). Von diesem rechts am See entlang auf einem kleinen Pfad durch ein Geröllfeld zum Wandfuß. Dort führt ein kurzes Drahtseil direkt über dem Wasser (Selbstsicherung!) 15 Meter nach links an der Wand entlang zu einem kleinen Absatz, wo man das Seil ablegen kann (kein Rucksack etc. nötig). Hier beginnt die Tour an einem Bohrhaken wenige Meter über dem See.
  • Abstieg: Abseilen über die Route, den ersten Stand der Route beim Abseilen nicht anpeilen, sondern vom zweiten Stand aus nach rechts um die Kante und direkt in einem Zug zum Wandfuß, dann wird auch das Seil nicht nass.
  • Beschreibung: Zusammen mit dem Zustieg, der eigentlich eine eigenständige Bergtour ist, ein absolut empfehlenswertes Gesamterlebnis, an das man sich gerne zurückerinnern wird. Die untere Hälfte der Route verläuft durch strukturierte, von Rissen durchzogene Platten und entlang einer luftigen Kante. Dann lehnt sich die Wand zurück und der Fußtechnik-Teil der Tour kann beginnen: Über zwei glatte Plattenseillängen mit sportlichen Hakenabständen geht es in technischer Plattenkletterei zum Stand vor der letzten Vierer-Seillänge, die man sich getrost sparen kann. Die Aussicht über den See und das umliegende Bergmassiv sind während der ganzen Kletterpartie das Tüpfelchen auf dem i.

Die wichtigsten Informationen zum Klettern im Val Restonica:

  • Anfahrt: Die Anfahrt erfolgt von Bastia durchgehend über die N 193 in rund eineinhalb Stunden. In Corte biegt man in Ortsmitte rechts ab in Richtung Krankenhaus und Citadelle (Musèe de la Corse) und folgt dann der kleineren D 623.
  • Unterkunft: Etwa fünf Minuten vom Taleingang entfernt erreicht man linkerhand den Camping Tuani: Wildcampen ist im Restonica nicht möglich, die Polizei von Corte patrouilliert hier täglich. Die Preise sind recht human und man kann viele Sport- und Alpinkletterspots zu Fuß erreichen, ansonsten benötigt man ein Auto für einige Kilometer.
  • Führer: siehe Allgemeine Infos
  • Verpflegung: In Corte finden sich mehrere Läden.
  • Sonstige Aktivitäten: An einem Ruhetag lohnt sich ein Ausflug in das beschauliche Corte am Eingang des Val Restonica. Natürlich gibt es auch unzählige Wandermöglichkeiten im Tal.

Bavella – Klettern im zweiten Granitparadies Korsikas

Neben dem Val Restonica ist das Gebirgsmassiv rund um den Col de Bavella das Eldorado für lange und kurze Mehrseillängenrouten in Korsika. Bavella ist eine große Gebirgskette, die sich mit ihren zahlreichen Felszacken an den Rändern des Talgrunds entlangschlängelt wie ein Nadelkissen. Hier gibt es schier unendliches Kletterpotenzial, eine Felsnadel steht neben der anderen, und es ist schwer, sich sattzusehen an der unglaublichen Vielfalt dieser Landschaft. Schon der Anblick der großen Granitdome wie die Punta di l’Acellu lassen jedes Alpinkletterherz höherschlagen. Im Kletterführer sind ganze 18 Alpinklettergebiete im Bavella-Massiv aufgelistet und jedes dieser Gebiete hat einen anderen Kletterstil, andere Felsformationen und andere Grade an Ernsthaftigkeit der Kletterei.

Sportklettern am Bavella-Pass

Die Bavella bietet eine atemberaubende und wilde Gebirgslandschaft. | Foto: Stefan Rehm
Die Bavella bietet eine atemberaubende und wilde Gebirgslandschaft. | Foto: Stefan Rehm

Direkt am Bavella-Pass gibt es – neben den zahlreichen Alpinrouten – auch einen schönen Klettergarten. Hier finden sich in zahlreichen Sektoren insgesamt über 130 Sportkletterrouten, insbesondere leichte, gut abgesicherte Routen. Der Zustieg ist relativ kurz: in etwa zehn Minuten erreicht man die meisten Sektoren. Der Schwerpunkt in Sachen Schwierigkeit liegt zwischen 5a und 7a. Gesteinsmäßig findet man hier alles von Granit-Platten bis zu zerfressenen Tafoni-Überhängen. Tipp: Freunde des oberarm-betonten Kletterns sollten sich den Punta Picchiatu nicht entgehen lassen.

Alpinklettern in Bavella

Granit-Waben am Bavella-Pass. | Foto: Stefan Rehm
Granit-Waben am Bavella-Pass. | Foto: Stefan Rehm

In viele Klettergebieten ähneln sich fast alle Routen in ihrer Felsbeschaffenheit und ihrem Kletterstil – in Bavella ist das anders: Fast jede Seillänge jeder Tour hat einen anderen Stil zu bieten. Und natürlich ist der bereits angepriesene Tafoni-Granit auch wieder ganz vorne mit dabei. Es gibt Überhänge, die von bienenwaben-förmigen Felskonturen durchzogen sind und dadurch so große und so viele Griffe zu bieten haben, dass es sogar überhängende Fünfer und Sechser gibt. Überhaupt ist hier in vielen Routen die Vertikale nicht immer mit einer nach oben ziehenden Felswand gleichzusetzen. Nicht selten passiert es, dass man mitten in der Wand in einem großen Felsloch landet, in das man sich setzen kann, oder dass man plötzlich mitten in einem Dach mit dem Körper durch eines der großen Tafonilöcher schlüpfen muss.

Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Natürlich gibt es auch in Bavella „ganz normale“ Granitkletterei auf Platten und Rissen, jedoch hat jeder Klettermeter das „gewisse Etwas“, das einen beim Klettern wieder daran erinnert, dass man in Bavella ist: Auch in den normalen Wandklettereien gibt es große Graniteier, die aus der Wand ragen, oder riesige Hörner, auf denen man ohne Hände stehen kann. Wer gerne auf glatten Platten steht, bis ihm (oder ihr) die Unterschenkel und die Fußsohlen brennen, ist ebenfalls an der richtigen Adresse: Mehrere Sektoren bieten lange Plattenfluchten mit nur einem Motto: Stehen, stehen, stehen. Eintönige Kletterei ist hier eher eine Seltenheit und die Kletterei lässt sich kaum mit einem Wort (leistig, löchrig, glatt, rau usw.) beschreiben. Am besten trifft es wohl das Wort „spielerisch“, wenn man den Charakter aller Routen auf einen gemeinsamen Nenner bringen will.

Kletterstil: Von Clean-Climbing bis zur Plaisir-Bohrhakentour

Bis zu 600 Meter lange, selbst abzusichernde Routen in fast allen Schwierigkeitsgraden finden sich in der Bavella. | Foto: Martin Stolzenberger
Bis zu 600 Meter lange, selbst abzusichernde Routen in fast allen Schwierigkeitsgraden finden sich in der Bavella. | Foto: Martin Stolzenberger

Wer auszieht, um das Fürchten zu lernen, findet in Bavella genauso seine Spielwiese wie der sicherheitsbewusste Genusskletterer, der sich lieber auf die Kletterei konzentrieren will als auf das Anbringen von Friends. Im Topo wird cleanes Gelände (das auch einmal den achten oder neunten Grad aufweisen kann) als „Terrain d’aventure“ (Abenteuergelände) bezeichnet. Diese Beschreibung trifft den Nagel auf den Kopf: Bis zu 600 Meter lange, selbst abzusichernde Routen in fast allen Schwierigkeitsgraden sind das absolute „Schmankerl“ des Bavella-Gebiets. Dem gegenüber stehen die zahlreichen Genussklettereien, die komplett oder größtenteils mit Bohrhaken ausgestattet sind. Und davon gibt es nicht wenige: Wer gerne im fünften bis siebten Grad unterwegs ist, entspannt Bohrhaken klippen will oder auch hie und da einmal einen Friend legen kann, der findet hier ein Routenspektrum, das für mehrere Kletterurlaube ausreicht.

Das Wandern ist des Korsen Lust – die Zustiege in Bavella

Ein kleiner Wermutstropfen – falls es überhaupt einer ist – darf nicht verschwiegen werden: Da man in Bavella immer vom Talgrund aus startet, betragen die Zustiegszeiten allesamt mindestens 30 Minuten. Für die meisten Wände muss man sogar mit zirka einer Stunde Zustieg rechnen; die am weitesten entfernten Alpinrouten erfordern manchmal einen zwei- bis dreistündigen Fußmarsch. Trotzdem: Gerade der lange Anstieg durch die wunderschöne, wilde Landschaft macht das Alpinklettern im Bavellagebiet zu einem unvergesslichen Gesamterlebnis. Abgerundet wird das Ganze nach getaner Tat durch ein erfrischendes Bad in einer Gumpe, ein korsisches Abendessen mit Wildschwein (das schätzten auch schon Asterix und Obelix) und das nicht zu verachtende Pietra-Bier.

Die wichtigsten Informationen zum Klettern in der Bavella:

  • Anfahrt: Entweder von Solenzara (Ostseite) auf der D268 zum Pass oder von Ajaccio oder Propriano (Westseite) bis Petreto-Bicchisano und dann auf der D420 bis zum Pass. Hat man die Wahl, sollte man die kürzere Zufahrt von Osten her wählen.
  • Unterkunft: Direkt im Klettergebiet gibt es leider keinen Campingplatz. Am unteren Taleingang befindet sich der Campingplatz „U ponte grossu„. Am oberen Ende des Bavella-Massivs gibt es einige Campingmöglichkeiten; hier ist insbesondere der Platz „Riviere Zonza“ zu empfehlen. Alle Übernachtungsmöglichkeiten sind eine 15- bis 30-minütige Autofahrt von den Kletterspots entfernt. Wer ein Hotel oder ein einfaches Bett bevorzugt, wird in Zonza fündig. Alternativ kann man direkt am Pass des Col de Bavella in der „Auberge du Col de Bavella“ in einem Zimmer nächtigen.
  • Führer: siehe Allgemeine Infos; für das Bavella-Gebiet gibt es von Fenouil/Quilici zusätzlich den Führer Bavella. Escalade en Corse (2016)
  • Verpflegung: In Zonza gibt es kleinere Supermärkte und Bars.
  • Sonstige Aktivitäten: Wer an einem Ruhetag wandern gehen will, kann ein Stück des GR20 wandern (allein ist man dort allerdings selten). Natürlich laden bei warmen Temperaturen die Gumpen auf der Strecke von Solenzara zum Bavella-Pass zum Baden ein.

Allgemeine Infos: Anreise nach Korsika

Klettern auf Korsika - das bedeutet klettern an einzigartigen Granit-Strukturen. | Foto: Bene Hirschmann
Klettern auf Korsika – das bedeutet klettern an einzigartigen Granit-Strukturen. | Foto: Bene Hirschmann

Für alle, die gerne im eigenen Auto oder Bus schlafen und bei der Übernachtung flexibel sein wollen, bietet sich die klassische Anreisevariante nach Korsika an: mit dem Auto zu einem der Häfen in Genua, Livorno oder kleineren Alternativhäfen und dann mit der Fähre weiter. Ankunftsort ist Bastia im Nordosten der Insel. Die Preise für die Überfahrt variieren je nach Größe des Automobils und hängen stark davon ab, ob man in der Haupt- oder der Nebensaison nach Korsika fährt. Die Hauptsaison ist ungefähr von Mai bis Anfang September. In der Nebensaison findet man sehr preiswerte Fähren und man kann auch in den Frühlings- und Herbstmonaten auf der Insel noch wunderbar klettern, sobald der Schnee in den Bergen geschmolzen ist.

Die Rückreise bucht man meist gleich zur Anreisefähre dazu. Wer zeitlich flexibel ist, kann mit etwas Glück richtige Schnäppchen erwischen: Bei unserer Rückfahrt buchten wir wenige Stunden vor Abfahrt eine Fähre nach Genua für nur 90 Euro (2 Personen, ein Bus).

Die bequemere Alternative, um nach Korsika zu gelangen, ist die Anreise mit dem Flugzeug von München, Frankfurt und den größeren Flughäfen in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Ein Mietauto ist dann allerdings zwingend erforderlich.

Allgemeine Infos: Fortbewegung auf der Insel

Man sollte auf Korsika nicht mit den gewohnten deutschen Zeitkalkulationen antreten. Genussvolles Reisen bedeutet hier, eine gute Reiseplanung im Kopf zu haben und sich nicht von der geringen Größe der Insel und den vermeintlich kurzen Distanzen täuschen zu lassen! Die Reisewege sind generell viel zeitaufwändiger und anstrengender zu fahren als die Landkarte erahnen lässt.

Einige größere und gut ausgebaute Straßen (N 193, N 196, N 1197, N 197, N 198, N 200) verbinden die wichtigsten Orte der Insel. Diese verlaufen meist in Küstennähe (wo ohnehin nur wenige Klettergebiete sind) und müssen für die Alpin- und Sportkletterspots fast immer verlassen werden. Im Inland bekommt man die typische korsische Infrastruktur zu spüren: Meist kleine und mehr schlechte als rechte Straßen, unzählige Kurven und zeitaufwändige Passstraßen sind an der Tagesordnung, wenn man zwischen den einzelnen Gebieten wechseln will. Die Strecke Corte-Porto, die durch das gebirgige Inland führt (vorbei an einsamen Dörfern und Schweineherden), beträgt eigentlich nur 84 Kilometer – dennoch dauert die Fahrt über zwei Stunden. Die schlechten Straßenverhältnisse und das ständige kurvige Auf und Ab auf teils abenteuerlichen einspurigen Strecken fordern die Nerven des Fahrers und den Magen der Beifahrer.

Es empfiehlt sich, gleich für mehrere Tage an einem Übernachtungsplatz zu bleiben, da ein tageweiser Wechsel zwischen den größeren Klettergebieten wie Bavella, Restonica, Ascu oder Porto aufgrund der sporadischen Infrastruktur sehr viel Zeit kosten würde. Korsika kann also nicht wie Mallorca oder Teile Sardiniens als „großes Klettergebiet“ gesehen werden, in dem man 100 Kilometer in weniger als einer Stunde auf einer großen Autobahn zurücklegen kann. Die gibt es auf Korsika nämlich nicht.

 Praktische Informationen zum Klettern auf Korsika

  • Gesteinsart: Granit – wobei die Tafoni das Klettern oft sehr abwechslungsreich und dreidimensional machen.
  • Ausrüstung: Je nachdem Ausrüstung fürs Sportklettern oder Alpinklettern – oder beides.
  • Anreise: Mit der Fähre von Livorno, Genua oder Savona. Alternativ mit dem Flugzeug. > mehr Informationen
  • Beste Jahreszeit: gebietsabhängig; in höheren Gebieten bietet sich der Zeitraum Mai bis September an
  • Kletterführer:
    • Sportklettern: Bertrand Maurin/Thierry Souchard: Falaises de Corse (2015; deutsch/englisch)
    • Alpinklettern:  Bertrand Maurin/Thierry Souchard: Grandes voies de Corse (2015; deutsch/englisch); Topoguide Auswahlführer: Kletterführer Korsika (2008)

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