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Dem Eisen auf der Spur

Die Kletterroute „Eisenzeit“ an der Zugspitze

4 Minuten Lesezeit
Die Route "Eisenzeit" folgt den Spuren der Erbauer der Bayerischen Zugspitzbahn. Franz Mösbauer ist über die spektakuläre Route auf die Zugspitze geklettert und berichtet von spannenden Passagen durch Tunnels, Leitern und griffigem Wettersteinfels.

Prolog: Bau der Bayerischen Zugspitzbahn

Auf die Zugspitze führen viele Bahnen – eine davon die Zahnradbahn. „Eisenzeit“ folgt den Spuren der Erbauer.

Franz Mösbauer

Auf die Zugspitze führen viele Bahnen – eine davon die Zahnradbahn. „Eisenzeit“ folgt den Spuren der Erbauer.


In nur 19 Monaten wurde zwischen 1928 und Juli 1930 der Tunnel der Bayerischen Zugspitzbahn zwischen Eibsee und Schneefernerhaus gebaut. Um die kurze Bauzeit des ca. 4,5 Kilometer langen Tunnels zu realisieren, wurde an mehreren Abschnitten gleichzeitig gebaut. So auch am Tunnelfenster IV inmitten der Nordseite des Riffelkammes.

Am Tunnelfenster IV wurden zu diesem Zweck die Unterkünfte für die Arbeiter in die Felsen verlagert, die durch einen drahtseilversicherten Steig, den sogenannten Tunnelbauersteig, von unten erreicht und versorgt werden konnten. Seit der Fertigstellung und Eröffnung der Bahnstrecke am 8. Juli 1930 geriet dieser Anstieg jedoch in Vergessenheit.

Neueröffnung nach mehr als 80 Jahren

Ganze 84 Jahre lang hatte der damals zurückgelassene Eisenschrott Zeit, in der Wand in Ruhe vor sich hin zu rosten. Bis 2013 der Garmischer Bergführer Michael Gebhardt auf die Suche ging und den Tunnelbauersteig bis zum Tunnelfenster IV aus seinem Dornröschenschlaf weckte. Gleichzeitig erschloss er den Weiterweg zum Riffelgrat und damit die neue alte Route „Eisenzeit“ bis zum Gipfel der Zugspitze.

Aufgrund des fehlenden Schnees und des stabilen Wetters fiel auch unsere Wahl Anfang Dezember 2016 auf die „Eisenzeit“. Zugegeben: Kurz vor der Wintersonnwende mit ihren recht kurzen Tagen nicht ganz die optimale Zeit. Doch da wir wussten, dass die Verhältnisse aktuell gut und die Route gespurt war, machten wir uns zu viert auf den Weg.

Dem Alteisen auf der Spur

Am Parkplatz Eibsee wird noch kurz das Material abgestimmt – und schon kann es losgehen. Leider müssen wir feststellen, dass wir nur einen Helm für vier Köpfe dabei haben – was wir nicht zur Nachahmung empfehlen. So kommen wir zum ersten, blechernen Sprengbahnaufbau (bzw. Tunnelfenster I), dem Beginn des unteren Teils von „Eisenzeit“.

Der alte Strommast mit den Strahlern ist eine gute Orientierungshilfe.

Franz Mösbauer

Der alte Strommast mit den Strahlern ist eine gute Orientierungshilfe.


Der alte Strommast mit den Strahlern ist eine gute Orientierungshilfe.

Franz Mösbauer

Leitern und andere Steiganlagen sollten auf ihre Festigkeit überprüft werden – zusätzliche Absicherung kann nicht schaden.


Von hier wird auf einem Band zum Gamseck in Richtung des Bayerischen Schneekars gequert. Immer auf der Suche nach historischen Überbleibseln in Form von vor sich hin rostendem Alteisen. Nach der Querung auf dem Band ist etwas Spürsinn erforderlich, um den richtigen, teils in den Fels gehauenen Steig zu finden.

Die großen Kavernen des Tunnelfensters IV laden zur Pause ein.

Franz Mösbauer

Die großen Kavernen des Tunnelfensters IV laden zur Pause ein.


Die großen Kavernen des Tunnelfensters IV laden zur Pause ein.

Franz Mösbauer

Fernblick aus einer Kaverne Richtung Allgäu.


Schon gerät der alte Strommast mit den beeindruckend großen Strahlern ins Blickfeld. Kurz davor erwartet uns das erste Schmuckstück der Tour, die „Harakiri-Leiter“. Spätestens dann, wenn die wackelige Konstruktion überwunden und die obere Fixierung auch nur flüchtig begutachtet wird, ist der Name Programm! Im Zweifel sollte man hier sichern oder die Leiter rechts im Fels umgehen. Bald darauf wird auch schon der alte Strommast erreicht.

Eisenzeit – eine Zeitreise in die 20er-Jahre

Der Daniel leuchtet im Morgenlicht. Typisch Nordwand bleibt die Sonne der Tour im Dezember fern.

Franz Mösbauer

Der Daniel leuchtet im Morgenlicht. Typisch Nordwand bleibt die Sonne der Tour im Dezember fern.


Bislang ist die Tour eine perfekte Zeitreise mit hohem Entdeckungsfaktor! Nach leichter Kletterei werden die letzten beiden Leitern direkt vor der großen Kaverne, dem Tunnelfenster IV, erreicht. Sie hinterlassen einen solideren Eindruck – auch wenn ein paar Sprossen locker sind. Hier in den Kavernen befinden sich noch etliche Hinterlassenschaften aus den 20er-Jahren sowie ein mehr oder weniger zugiges Häuschen.

Auf jeden Fall bietet sich dieser Ort zum Entdecken und für eine gemütliche Pause an. Auch wenn die Arbeiter hier sicherlich keinen leichten Job hatten, so ist die Geschichte zu diesem Ort im Gegensatz zu mancher Zeitreise in den Dolomiten deutlich weniger „vorbelastet“. Zudem stand den Arbeitern eine im Arbeitsvertrag festgeschriebene Menge an Bier pro Tag zu. Prost Bayernland!

Bier als Verpflegung?

Frisch gestärkt – allerdings ohne Bier – treten wir den zweiten Teil der Tour an. Mit dem Verlassen des Tunnelfensters IV beginnt der neu erschlossene Teil der „Eisenzeit“. Das vorhandene, rostrote Metall weicht glänzenden Bohrhaken, die zur besseren Auffindbarkeit sogar mit Schlingen markiert sind.

Hin und wieder sorgt ein Blick ins Topo für mehr Sicherheit, sodass einem der ungebremste Vorwärtsdrang keinen Strich durch die Kletter-Rechnung macht. Im Wesentlichen folgt die gesamte Route einem recht logischen Verlauf – nämlich dem des geringsten Widerstands. Dennoch sorgt das Seil abschnittsweise für mehr Sicherheit bei besonders exponierteren Passagen.

Leichte Kletterei im unteren Teil, kurz vor der Harakiri-Leiter (Bildmitte).

Franz Mösbauer

Leichte Kletterei im unteren Teil, kurz vor der Harakiri-Leiter (Bildmitte).


Leichte Kletterei im unteren Teil, kurz vor der Harakiri-Leiter (Bildmitte).

Franz Mösbauer

Seilfrei oder nicht? In der Eisenzeit ist eine den Verhältnissen angepasste Taktik entscheidend.


Die letzten beiden Längen bieten nochmals richtigen Kletterspaß.

Franz Mösbauer

Die letzten beiden Längen bieten nochmals richtigen Kletterspaß.


Die letzten beiden Längen bieten nochmals richtigen Kletterspaß.

Franz Mösbauer

Abseilen zum Höllentalsteig. Im Sommer befindet sich die eigentliche Abseilstelle am Köpfel links der Bildmitte.


Sicherheit geht auch in der Eisenzeit vor

Man könnte im Grunde komplett auf mobile Sicherungen verzichten, denn die notwendigen Stände und Zwischensicherungen bestehen aus soliden Bohrhaken. Vorsicht ist im Wettersteinkalk trotzdem geboten und ich würde jedem empfehlen, einen Satz Keile einzupacken. Zwar ist der Fels – zumindest da, wo hingelangt werden muss – durchwegs gut, doch gibt es genügend brüchige oder von Schotter bedeckte Passagen, bei denen Vorsicht angebracht ist.

Vorteil, zumindest innerhalb einer Gruppe: die Tour verläuft abschnittsweise diagonal. So fallen Steine meist ins Leere. In unserem konkreten Fall müssen wir uns Anfang Dezember dank des Schnees darüber sowieso keine Sorgen machen. Nach zwei Längen verschwindet das Seil wieder im Rucksack und weiter geht es in leichter Kletterei der kleinen „Headwall“ entgegen, die nach einem Schotter- bzw. Schneefeld nochmals für schöne Kletterei sorgt. Mit dem Erreichen des Riffelgrats liegt Teil 2 der Tour hinter uns.

Abseilen zum Höllental-Klettersteig: Finale der „Eisenzeit“

Mit zunehmender Höhe öffnet sich das Panorama über das schöne Werdenfelser Land.

Franz Mösbauer

Mit zunehmender Höhe öffnet sich das Panorama über das schöne Werdenfelser Land.


Mit dem Abseilen zum Höllentalsteig beginnt der dritte und finale Akt der Eisenzeit – übrigens der entspannteste Teil des Aufstiegs. Statt durch Abseilen kann der Höllental-Klettersteig auch in leichter Kletterei über den Riffelgrat weiter oben erreicht werden. Dies aber bitte nur, wenn kein Hochbetrieb herrscht, da herunterfallende Steine Klettersteiggeher weiter unten unnötig gefährden!

Der finale Aufstieg durch den winterlich verschneiten Höllentalsteig hoch zum Jubiläumsgrat bzw. der Zugspitze sorgt für einen gebührenden Abschluss der Tour. Pünktlich zu High Noon stehen wir in der warmen Dezembersonne auf Deutschlands höchstem Punkt – und sind sofort die Attraktion der benachbarten Panoramaterrasse. Eine Attraktion waren wir vermutlich schon länger, da die Seilbahn unser Dauerbegleiter während des gesamten Aufstieges war. Zuschauer sind einem bei dieser Tour jedenfalls sicher!

Vom goldenen Gipfelkreuz absolvieren wir nur noch betont lässig-elegant das kurze eisige Stück hinab zur Bergstation. Ein Stolperer wäre hier mehr als nur peinlich. Mit dem Betreten der Station werden wir schließlich wieder von der Zivilisation geschluckt…

Fazit zur Route „Eisenzeit“ auf die Zugspitze

Was bleibt ist ein Muskelkater im Oberschenkel vom langen Abstieg über den Stopselzieher zurück zum Auto und eine richtig schöne, abwechslungsreiche Kletterei auf die Zugspitze. Wie so oft sind zwar die nominellen Schwierigkeiten in der „Eisenzeit“ gering, das Verhängnisvolle liegt eher im Kleingedruckten.

Aufgrund des Baus der neuen Zugspitzbahn befindet sich hier Deutschlands höchste Baustelle.

Franz Mösbauer

Aufgrund des Baus der neuen Zugspitzbahn befindet sich hier Deutschlands höchste Baustelle.


Trotz der Bohrhaken ist das Prädikat „alpin“ absolut angebracht. Obwohl der Fels insgesamt brauchbar ist, liegen doch noch sehr viele kleinere Steinchen herum, die gerne mal herunterfallen. Zudem dürfte ein Rückzug nach dem Tunnelfenster IV aufgrund der raumgreifenden Quergänge nicht ganz einfach sein. Es gab wohl schon zahlreiche Rettungseinsätze, da die Tour unterschätzt wurde. Nicht zuletzt sind es vom Autositz zum goldenen Gipfelkreuz 2.000 Höhenmeter. Außer, ja außer man gönnt sich ein Biwak!

🏔️ Topo und Informationen zur Tour
  • Länge und Schwierigkeit: 1.200m, 4- (UIAA)
  • Zeitbedarf: Zustieg 2 – 2,5 h, Tour 4 – 6 h, Abstieg 10 min (Seilbahn) – 3 h (über Stopselzieher und Wiener-Neustädter Hütte)
  • Material: Je nach Seilschaftsgröße sollten 50 Meter Einfach- oder Doppelseil, ein kleines Keileset und 4-6 Expressen neben der Grundausstattung ausreichen. Für den Notfall und aufgrund des kompakten Felses können ein paar zusätzliche Haken nicht schaden!
  • Topo: Eine sehr ausführliche Beschreibung mit zahlreichen Bildern und einem guten Topo finden Interessenten auf bergsteigen.com.

Einige wichtige Hinweise zum Schluss

Blick zurück von der Talstation der Eibseeseilbahn. Knapp oberhalb der hinteren Stütze befindet sich das Gamseck.

Franz Mösbauer

Blick zurück von der Talstation der Eibseeseilbahn. Knapp oberhalb der hinteren Stütze befindet sich das Gamseck.


  • Eisenzeit ist alles anderer als ein durchgehender Klettersteig! Die Gefahren sind hochalpiner Natur. Alle, die sich keinen ausgesetzten 4er im Vorstieg zutrauen, sollten die Tour nicht in Angriff nehmen.
  • Bis zur großen Kaverne verläuft der Steig entlang alter Versicherungen und Leitern ohne jegliches TÜV-Abzeichen. Falls man der Verlockung nicht widerstehen kann und diese doch benützt, sollte dies mit äußerstem Zartgefühl erfolgen!
  • Im Notfall kann nach einem Notruf in der Kaverne auf Unterstützung gewartet werden. Der rechte, von einem Drahtseil abgesperrte Tunnel (Betriebsgelände, unbefugter Zutritt verboten) ermöglicht den Zugang zum Tunnel der Zahnradbahn.
  • Abgestiegen werden kann entweder via Eibsee-Seilbahn oder über den Stopselzieher und die Wiener Neustätter Hütte.
  • Krönung der Tour wäre natürlich – abgesehen vom Bier danach – der Abstieg über den Jubiläumsgrat!
  • Jeder, der sich nicht ganz im Klaren ist, ob er den Schwierigkeiten auch gewachsen ist, sollte sich für „Eisenzeit“ einen Bergführer nehmen (siehe etwa „Eisenzeit“ bei Die Bergführer)

Benötigst Du noch Kletterausrüstung?

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